Schon nach einer Woche: Simulierte Blindheit verbessert Gehör
Diese Ergebnisse könnten dazu beitragen, neue Therapien zu entwickeln, um Menschen mit Hörverlust oder Tinnitus zu behandeln, sagt Patrick Kanold von der University of Maryland in College Park, einer der leitenden Mitglieder des Forscherteams. Noch ist nicht bekannt, wie lange ein Mensch im Dunkeln verbringen müsste, damit sich die Wahrnehmung von Tönen so verbessert, wie in den Tierversuchen. Die Forscher hielten gesunde, erwachsene Mäuse sechs bis acht Tage lang in absoluter Dunkelheit. Nachdem ein normaler Hell-Dunkel-Rhythmus wiederhergestellt war, hatte sich ihr Sehvermögen nicht verändert. Aber sie hörten deutlich besser: Sie konnten geringere Lautstärken wahrnehmen und Tonhöhen genauer unterscheiden.
Diese Veränderung ließ sich auf veränderte Eigenschaften von Neuronen im Hörzentrum der Großhirnrinde, dem auditorischen Cortex, zurückführen. Die Neuronen leiteten die beim Hören aus der Hirnregion des Thalamus empfangenen Signale schneller weiter. Außerdem hatten sie nach der Dunkelphase mehr Kontakte zu anderen Zellen – sogenannte Synapsen – gebildet. Bisher glaubte man, dass sich Nervenverschaltungen in dieser Hirnregion bei Erwachsenen nicht mehr verändern können. Wahrscheinlich sei diese Flexibilität von Zellen der Großhirnrinde eine Eigenschaft aller Säugetiere, sagt Kanold. Deshalb seien die Ergebnisse der Tierversuche wohl auch auf den Menschen übertragbar. Ein „multisensorisches“ Training könnte vielleicht bei der Behandlung einer nachlassenden Sinneswahrnehmung helfen. Allerdings fiel die Hörleistung der Mäuse, die eine Woche in Dunkelheit verbracht hatten, nach wenigen Wochen unter Normalbedingungen wieder auf das Ausgangsniveau zurück. Daher wollen die Forscher zunächst herausfinden, ob es möglich ist, die positiven Veränderungen auch dauerhaft zu erhalten.