Schlafmangel beeinflusst Neuverschaltung von Hirnzellen in der Jugend

Untersuchungen an Mäusen zeigen, dass ein normaler Schlaf-Wach-Rhythmus für die Hirnentwicklung beim Erwachsenwerden wichtig ist
Madison (USA) - Schlafmangel in der Pubertät könnte die normale Entwicklung des Großhirns stören. Das schließen amerikanische Forscher aus Versuchen mit Mäusen. Sowohl bei Mäusen als auch bei Menschen kommt es in der Jugend zu gravierenden Umbauprozessen in der Großhirnrinde. Den Abbau und die Neubildung von Kontakten zwischen Gehirnzellen konnten die Wissenschaftler erstmals durch mikroskopische Aufnahmen am lebenden Tier sichtbar machen. Die Dichte dieser sogenannten Synapsen nahm im Schlaf ab und im Wachzustand wieder zu, schreiben die Autoren im Fachjournal "Nature Neuroscience". Bei chronischem Schlafmangel wäre diese Balance gestört, was bleibende Auswirkungen auf die Hirnfunktionen haben könnte.

"Die Zeit des Erwachsenwerdens ist eine sensitive Entwicklungsperiode, in der sich das Gehirn dramatisch verändert. Viele neue Synapsen werden gebildet und eliminiert", sagt Chiara Cirelli von der University of Wisconsin in Madison. Ihr Forscherteam untersuchte, welche Veränderungen bei jungen Mäusen in einer Region der Großhirnrinde - dem sensomotorischen Cortex - während des Wach- und Schlafzustands ablaufen. Dazu setzten sie Mäuse ein, die ein gelb fluoreszierendes Protein bildeten. Mit Hilfe der Zwei-Photonen-Mikroskopie konnten sie so am lebenden Tier die Zahl der Synapsen ausgewählter Hirnzellen ermitteln.

Es zeigte sich, dass während des Schlafs die Synapsendichte abnahm und während der natürlichen Wachperiode wieder anstieg. Über den gesamten 24-Stunden-Tag gesehen, blieb die Anzahl der Kontaktstellen pro Zelle etwa gleich. Das Entstehen neuer Synapsen wird auf Erfahrungen und Lernprozesse in der Wachphase zurückgeführt. Im Schlaf werden dann schwache und nicht mehr benötigte Kontakte wieder abgebaut. Die Forscher schließen aus ihren Ergebnissen, dass ein natürlicher Schlaf-Wach-Rhythmus in der Pubertät für eine Balance zwischen Neubildung und Abbau von Synapsen wichtig ist.

Schließlich untersuchten die Wissenschaftler Mäuse, die nach einer normalen zehnstündigen Wachperiode sechs bis sieben Stunden lang am Schlafen gehindert wurden. Nach diesem verlängerten Wachzustand sank die Zahl der Synapsen in der folgenden verkürzten Schlafphase weniger stark als normalerweise. "Das zeigt, dass die Schlaf- und Wachzeiten einen Einfluss darauf haben, wie viele Synapsen im jugendlichen Gehirn erzeugt oder entfernt werden", so Cirelli. Als Nächstes interessieren die Forscher die Folgen von chronischem Schlafmangel - ein bei vielen jungen Menschen häufiger Zustand. Vielleicht seien ja die dadurch verursachten Veränderungen im Gehirn nur vorübergehend und unschädlich, sagt Cirelli. Es wäre aber auch denkbar, dass die gestörte Hirnreifung bleibende Auswirkungen auf die Leistung des Gehirns haben könnte.

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Quelle: "Sleep and wake modulate spine turnover in the adolescent mouse cortex", Stephanie Maret et al.; Nature Neuroscience, doi: 10.1038/nn.2934


 

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