Schlafentzug verändert Blutwerte
„Unsere Befunde dürften auch wichtig sein, um die Ergebnisse von Bluttests richtig zu interpretieren“, sagt Florence Raynaud vom Institute of Cancer Research in London, ein Mitglied der Arbeitsgruppe. Denn wenn diagnostisch wichtige Blutwerte im Lauf des Tages schwanken, ist es von Bedeutung, zu welcher Tageszeit eine Blutprobe entnommen wurde. Für ihre Messungen hatte das Forscherteam, geleitet von Debra Skene von der University of Surrey, zwölf gesunde junge Männer ausgewählt. Den Versuchspersonen wurden im Zeitraum von 48 Stunden im Zwei-Stunden-Abstand Blutproben entnommen. Am ersten Tag behielten die Männer ihre übliche Schlaf- und Wachphase bei. Danach mussten sie durchgehend wach bleiben.
Für alle Proben bestimmten die Forscher den Gehalt an insgesamt 171 Stoffwechselprodukten. Die Konzentrationen von 109 Substanzen zeigten rhythmische Schwankungen in den ersten 24 Stunden. Bei 78 Verbindungen blieb dieser Rhythmus auch am zweiten Tag mehr oder weniger erhalten. Aber während der Phase des Schlafentzugs stieg der Spiegel von 27 Stoffwechselprodukten im Vergleich zur normalen Schlafphase an. Betroffen davon war der Botenstoff Serotonin und seine Vorstufe Tryptophan sowie Taurin, außerdem verschiedene Lipide und andere Substanzen. Diese Verbindungen werden offenbar normalerweise während des Schlafens in geringerem Maße produziert oder verstärkt abgebaut, vermuten die Forscher. Erhöhte Werte für Serotonin, Tryptophan und Taurin könnten erklären, warum Schlafentzug als Therapie gegen depressive Störungen wirksam ist.
Die Studie analysiert lediglich die Auswirkungen eines einmaligen Schlafentzugs, betonen die Autoren. Sie liefert keine Aussagen über Effekte, die länger andauernder Schlafmangel verursachen kann. Dazu seien weitere Untersuchungen nötig. Aus den tagesrhythmischen Schwankungen wichtiger Blutwerte erhoffen sich die Forscher auch Hinweise darauf, zu welcher Tageszeit bestimmte Medikamente verabreicht werden sollten, um die größte Wirkung zu erzielen. Diese Daten könnten jedoch individuell unterschiedlich sein und vom persönlichen Schlaf-Wach-Zyklus abhängen. Das würde insbesondere bei Schichtarbeitern eine Rolle spielen.