Schimpanse am Herd?

Im Prinzip haben die Primaten die notwendigen kognitiven Voraussetzungen, um kochen zu können
Schimpansen würden ihr Futter durchaus kochen.
Schimpansen würden ihr Futter durchaus kochen.
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Cambridge (USA) - Könnten sie Feuer machen, würden Schimpansen wohl kochen. Nun konnten zwei US-Psychologen beobachten, dass die nächsten Verwandten des Menschen auch die grundlegenden geistigen Fähigkeiten dazu besitzen. Ihre umfangreichen Verhaltensversuche zeigen: Schimpansen ziehen nicht nur gekochtes Essen rohem vor, sondern begreifen sogar, dass beim Kochen eine Umwandlung stattfindet. Dieses Verständnis von Ursache und Wirkung können die Primaten generalisieren und in neuen Situationen anwenden. Außerdem geben sie rohes Futter aus der Hand, anstatt es zu essen – mit der Absicht, es zu kochen. Sie sind sogar in der Lage, die rohe Kost zu einer Kochgelegenheit zu transportieren oder für die Zukunft zu planen. So bewahren Schimpansen die Nahrung einen Moment auf, wenn sie erwarten, dass sie die Möglichkeit zum Kochen bekommen. Die im Fachblatt „Proceedings of the Royal Society B” präsentierten Ergebnisse könnten auch zur Klärung der Frage beitragen, wie frühe Menschen einst lernten, Feuer zu kontrollieren und Nahrung zuzubereiten.

„Es ist eine wichtige Frage, wann sich in der Evolution des Menschen die Fähigkeit zu kochen entwickelt hat”, sagt Felix Warneken von der Harvard University in Cambridge. „Wir waren der Meinung: Zu untersuchen, ob Schimpansen im Prinzip die für das Kochen ausschlaggebenden kognitiven Kapazitäten besitzen, könnte eine Möglichkeit sein, dieser Frage auf den Grund zu gehen.” Kochen zu können, verlangt einige hochentwickelte geistige Leistungen, darunter das Begreifen von Ursache und Wirkung, Selbstbeherrschung und vorausschauendes Denken. „Falls auch Schimpansen diese Fähigkeiten besitzen”, so Warneken, „liegt nahe, dass frühe Menschen, sobald sie in der Lage waren, Feuer zu nutzen und zu kontrollieren, es auch zum Kochen verwenden konnten.” Gemeinsam mit seiner Kollegin Alexandra G. Rosati von der Yale University in New Haven hatte Warneken eine Reihe von neun Verhaltensexperimenten erarbeitet, um die potenziellen Kochkünste von Schimpansen (Pan troglodytes) unter die Lupe zu nehmen.

In ersten Versuchen überprüften die beiden Psychologen die Ergebnisse früherer Studien und konnten bestätigen, dass Schimpansen gekochte Süßkartoffeln lieber mögen als rohe: Haben sie die Wahl, greifen sie zu gekochten, und sie nehmen für die erhitzte Speise eher eine kurze Wartezeit in Kauf, wenn sie anschließend dafür mehr bekommen. Danach testeten die Forscher, ob die Primaten auch tatsächlich die Umwandlung von Ungekochtem in Gekochtes begreifen und selbst versuchen würden, etwas zu kochen. Dazu demonstrierten sie den Schimpansen zwei unterschiedliche Gefäße: ein Kochgefäß, in das eine rohe Scheibe Süßkartoffel gegeben und nach einem kurzen Schütteln eine gekochte herausgeholt wurde, und ein anders aussehendes Kontrollgefäß, in dem die rohe Scheibe einfach roh blieb. Im entscheidenden Test wählten dann beinahe alle Tiere das Kochgefäß – noch bevor sie gesehen hatten, welche Beschaffenheit das Futter beim Herausholen haben würde. Sie hatten also den Prozess verstanden, dass die Süßkartoffel sich in dem einen Gefäß von roh in gekocht umwandelte.

In weiteren Tests stellten Rosati und Warneken die Selbstbeherrschung der Schimpansen auf die Probe und schauten, ob diese ein Stück rohe Süßkartoffel lieber gleich aßen oder aber sich aktiv dafür entschieden, das Futter in das Kochgefäß zu geben. „Das ist echt hart, denn normalerweise essen Schimpansen Futter, wenn sie es haben”, erläutert Warneken. Zur großen Überraschung der beiden Forscher trennte sich etwa die Hälfte der Primaten tatsächlich von der Süßkartoffel, um sie ins Kochgefäß zu legen und ein gekochtes Stück zurück zu bekommen. Das konnten die Tiere auch auf Karotten übertragen, hatten also das Prinzip als solches verstanden. „Entscheidend ist hier, dass sie niemals gesehen hatten, wie eine Karotte in diese Gefäße gelegt wurde”, erklärt Rosati. „Sie waren dennoch in der Lage, diesen Prozess zu verallgemeinern.”

Die beiden Psychologen konnten sogar noch mehr kognitive Leistung beweisen: In den beiden finalen Experimenten zeigte sich, dass Schimpansen sogar vorausdenken und planen und warten können. Zwar ist bekannt, dass die Tiere Werkzeuge für einen späteren Einsatz aufheben, aber Essen hat einen ganz anderen Stellenwert. „Ein Werkzeug kann wertvoll sein, weil man es in der Zukunft nutzen kann”, sagt Rosati. „Aber man kann es nicht sofort verspeisen. Dennoch waren einige Schimpansen in der Lage, rohe Süßkartoffeln vier Meter durch den Raum zum Kochgefäß zu transportieren – und zwar mit der Intention, sie dort zu kochen.

Selbst eine Wartezeit von drei Minuten nahmen einige Schimpansen in Kauf, wenn sie wussten, sie würden die Gelegenheit zum Kochen bekommen. In diesem letzten Versuch gaben die Forscher den Tieren rohe Süßkartoffeln und Warneken zeigte sich ihnen kurz mit den Gefäßen, verschwand dann aber, um nach drei Minuten zurückzukehren. Erst dann bekamen sie die Gelegenheit, ihre gesammelten Kartoffeln zu kochen. „Das war am Anfang eine sehr schwierige Schlussfolgerung”, erzählt Rosati. „Aber später verstanden sie, dass er zurückkommen würde und dass sie ihr Essen in gekochtes Essen umwandeln könnten, wenn sie es für drei Minuten aufbewahren. In der Kontrollsituation bekamen sie dieselbe Menge Futter, aber sie bekamen ihn nie zu sehen. Und wenn sie nicht dachten, dass sie ihr Futter kochen können würden, dann aßen sie es.”

„Man fokussiert sich gerne auf die Kontrolle von Feuer, weil dies so herausragend ist”, sagt Rosati. Doch selbst mit Feuer brauche man einige andere Erkenntnisse, bevor man es zum Kochen nutzen könne. „Sicher können Schimpansen kein Feuer kontrollieren, aber wir haben versucht, zu einigen der anderen Aspekte des Kochens Hypothesen zu entwickeln, etwa das kausale Verständnis, dass man gekochtes Essen erschafft, wenn man rohes Essen ins Feuer legt, oder die Fähigkeit zu planen.” Lange wurde angenommen, dass der Mensch zuerst das Feuer unter Kontrolle brachte und dann irgendwann zum Kochen verwendete. Warneken and Rosati halten es dagegen für sehr gut möglich, dass es genau umgekehrt war. „Was könnte frühe Menschen dazu motiviert haben, Feuer zu kontrollieren?”, fragt Rosati. „Ich denke, kochen könnte ein guter Grund gewesen sein.”

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