Schildkrötenwanderung schon im Ei

Bereits vor dem Schlüpfen suchen die Embryos den für ihre Entwicklung optimalen Temperaturbereich
Chinesische Dreikielschildkröte (Chinemys reevesii)
Chinesische Dreikielschildkröte (Chinemys reevesii)
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Peking (China) - Sich in der Sonne aufzuwärmen oder im Schatten abzukühlen ist für wechselwarme Tiere wie Reptilien eine selbstverständliche und lebensnotwendige Sache. Schildkröten sind dazu sogar schon im Ei in der Lage: Die Embryos suchen sich gezielt ein wärmeres Plätzchen. Ebenso flüchten sie aber auch vor zu viel Wärme, haben chinesische Zoologen bei Sumpfschildkröten beobachtet. Wie sie im Fachblatt „Biology Letters“ berichten, konnten die Forscher zeigen: Bei dem Verhalten handelt es sich tatsächlich um eine zielgerichtete Bewegung und nicht um ein passives treiben lassen im Ei. Die Tiere regulieren demnach auf diese Weise bereits so früh ihre Körpertemperatur – genau wie es wechselwarme Tiere generell tun.

„Unsere Ergebnisse legen nahe, dass über das Verhalten gesteuerte Thermoregulation bei Schildkrötenembryos wirklich dem thermoregulatorischen Verhalten analog ist, das Wechselwarme nach dem Schlüpfen an den Tag legen“, schreiben Wei-Guo Du von der Chinesischen Akademie der Wissenschaften und Kollegen. Kürzlich hatte eine Studie gezeigt, dass Schildkrötenembryos ihre Position im Ei verändern können. Diesem Phänomen gingen die Zoologen um Du näher auf den Grund. Mit ihren Versuchen wollten sie herausfinden, ob es sich dabei um eine aktive, zielgerichtete Bewegung handelt, die Tiere also auf diese Weise die für ihre Entwicklung optimale Umgebungstemperatur innerhalb des Eies aufsuchen.

Dazu bebrüteten die Forscher insgesamt 125 Eier von Chinesischen Dreikielschildkröten (Chinemys reevesii) bei fünf unterschiedlichen Temperaturbedingungen: unter einer konstanten Temperatur von 26 Grad Celsius, unter Erwärmung von oben auf 29 Grad Celsius sowie unter seitlicher Erwärmung auf 29, 30 und 33 Grad Celsius. Die Position der Embryos im Ei zu unterschiedlichen Zeitpunkten stellten sie fest, indem sie die Eier durchleuchteten und den Punkt, an dem der Nacken auf den Panzer trifft, als Anhaltspunkt nutzten.

Tatsächlich beeinflusste die Wärmebehandlung die Position der ungeschlüpften Schildkröten im Ei: Bei gleichbleibender oder von oben erhöhter Temperatur blieben die Embryos nahe des Ei-Mittelpunkts. Doch bei seitlicher, also ungleichmäßiger Erwärmung, änderte sich das. Dann bewegten sich die Schildkröten bei 29 und 30 Grad auf das warme Plätzchen zu, bei zu warmen 33 Grad Celsius aber von der Hitze weg. Dass es sich dabei um eine passive Bewegung handelte, die lediglich einem Temperaturgefälle innerhalb des Eies folgt, konnten die Forscher ausschließen. Denn bei toten Embryos, stellten sie fest, fand keine Positionsänderung statt.

Wechselwarme Tiere wie Schildkröten und Eidechsen können ihre Körpertemperatur im Gegensatz zu gleichwarmen Tieren wie Säugern oder Vögeln nicht konstant halten. Sie erreichen eine gewisse Regulation, indem sie sich zwischen wärmeren und kühleren Orten bewegen – etwa von der Sonne in den Schatten wechseln oder umgekehrt. Die Studie von Du und Kollegen zeigt nun, dass zumindest Schildkröten sogar schon dazu in der Lage sind, noch bevor sie aus dem Ei schlüpfen. So können sie ihre Entwicklung im Ei zumindest in einem gewissen Maße steuern. Permanente Temperaturen von mehr als 32 Grad Celsius vermindern zum Beispiel die Wahrscheinlichkeit, dass das Junge schlüpft. Außerdem beeinflusst die Temperatur während der Zeit im Ei bei vielen Reptilienarten das Geschlecht des Nachwuchses.

© Wissenschaft aktuell
Quelle: „Turtle embryos move to optimal thermal environments within the egg”, Bo Zhao, Wei-Guo Du et al.; Biology Letters, http://dx.doi.org/10.1098/rsbl.2013.0337


 

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