Schaltbare Fenster: Licht rein, Wärme bleibt draußen

„Wir entwickelten ein neues Materialkonzept, mit dem sich die Transmission von Wärme und Licht der Sonne dynamisch kontrollieren lässt“, sagt Delia Milliron vom Lawrence Berkeley National Laboratory. Für ihre schaltbare Beschichtung, die sich auf herkömmliche Fenster auftragen lässt, nutzte sie winzige Kristalle aus Indiumzinnoxid. Verteilt in einer Lösung lagerte Milliron diese Nanokristalle zusammen mit ihren Kollegen in eine Matrix aus einem Nioboxid-Glas. Aufgeheizt auf 400 Grad Celsius, entstand so das elektrisch schaltbare elektrochrome Material mit seinen überraschenden Vorteilen. Abhängig von einer angelegten Spannung ordneten sich die Nanokristalle und das Nioboxid über die Wanderung der enthaltenen Metallionen zu Strukturen mit jeweils unterschiedlichen optischen Eigenschaften zusammen.
Bei einer elektrischen Spannung von vier Volt ließ diese durchsichtige Beschichtung das komplette Spektrum des Sonnenlichts durch, einschließlich der Wärmestrahlung. Reduziert auf 2,3 Volt dagegen wurde die Wärmestrahlung selektiv blockiert, der sichtbare Anteil des Lichts jedoch nicht. Erst ab 1,5 Volt verdunkelte sich das Material zunehmend und absorbierte auch große Teile des sichtbaren Lichtspektrums. Dieser Prozess konnte mehrere tausend Mal durchgeführt werden, ohne dass sich die optischen Eigenschaften nennenswert änderten.
Auf der Basis dieser Ergebnisse ließen sich nun Fenster mit schaltbaren Beschichtungen entwickeln. Allerdings zählen die verwendeten Metalloxide und Nanokristalle zu relativ teuren Materialien, die auch beim Bau von Displays eingesetzt werden. Zudem nutzen Milliron und Kollegen für den elektrischen Kontakt eine hauchdünne und durchsichtige Elektrode aus Lithium. Da dieses Metall sehr leicht chemisch reagiert, müsste nach sichereren Alternativen Ausschau gehalten werden.
Breites Spektrum für zukünftige Gläser
Für schaltbare Fenster bilden ausgeklügelte, elektrochrome Beschichtungen heute den Königsweg. Doch der Grundstoff, das Glas selbst, bietet noch viel Entwicklungspotenzial. „Glas ist von allen Werkstoffen der vielleicht am wenigsten verstandene“, sagt Lothar Wondraczek, Glaschemiker an der Universität Jena. Denn wenn man eine Schmelze schnell genug abkühlt, kann man so ziemlich aus allem Gläser machen. Daher sucht Wondraczek zusammen mit anderen deutschen Wissenschaftlern nach grundlegend neuen Wegen in der Glasforschung. Nichts weniger als das unzerstörbare Glas haben sie sich unter anderem in dem Forschungsprogramm „Topological Engineering of ultrastrong glasses“ zum Ziel gesetzt.
Neben Schmelzrobotern, die neue Glasrezepte rasch zu ersten Materialproben umsetzen, spielen aufwendige Computersimulationen eine wichtige Rolle für die Gläser der Zukunft. „Wir wollen lernen, wie die Struktur der Gläser auf der atomaren Ebene genau aussieht“, sagt Joachim Deubener, Glasforscher am Institut für Nichtmetallische Werkstoffe der Technischen Universität Clausthal. So ungeordnet sich die Atome miteinander im Glas verknüpfen, so wichtig sind die atomaren Bindungen und Verknüpfungsknoten für alle möglichen Eigenschaften – von der Bruchfestigkeit, über die Flexibilität und Lichtbrechung bis zur elektrischen Leitfähigkeit. Erste Hinweise deuten sogar darauf hin, dass scheinbar ungeordnet aufgebaute Gläser doch über einige atomare Nachbarn hinweg strengen Gesetzmäßigkeiten folgen. Zudem kann der Einfluss von vielen bisher nicht genutzten chemischen Elementen in Gläsern genauer untersucht werden. Das ferne Ziel dieser Forschung ist ein universelles Rezeptbuch: Ein Glasmacher müsste nur die gewünschten Eigenschaften auswählen und schon erhält er die detaillierte Produktionsanleitung.