Schärfste Zähne machten Zubeißen kraftvoll

Auch ohne Kiefer lieferten feine zahnähnliche Strukturen der ausgestorbenen Conodonten ausreichend Druck pro Fläche, um zähe Beute zu zerlegen
3D-Modell des Zahnelements eines Conodonten - die Pfeile zeigen in die Richtung auftretenden Drucks.
3D-Modell des Zahnelements eines Conodonten - die Pfeile zeigen in die Richtung auftretenden Drucks.
© Jones et al., University of Bristol
Bristol (Großbritannien)/Clayton (Australien) - Nur zwei Mikrometer dünn waren die schärfsten Zähne der Welt: die Beißwerkzeuge der längst ausgestorbenen Conodonten. Und obwohl die kleinen Aal-ähnlichen Meeresbewohner keine Kiefer und nur schwache Kaumuskulatur besaßen, konnten sie dennoch ähnlich kraftvoll zubeißen wie ein Mensch. Das berichtet jetzt ein britisch-australisches Forscherteam nach physikalischen Analysen. Gerade der kleine Durchmesser steigerte den Druck der Zähne pro Fläche enorm, was die geringe Muskelkraft ausgleichen konnte. Zudem bewegten sich die Zähne vermutlich seitwärts rotierend, um zähes Futter zu zerkleinern, so die Wissenschaftler im Fachblatt „Proceedings of the Royal Society B“. Sie widerlegen damit auch die Theorie, dass die feinen Zahnstrukturen im trichterförmigen Mund vielleicht nur zum Filtern von Plankton gedient hätten. Vielmehr zeigen die Ergebnisse, dass die Conodonten in der Evolution der primitiven Wirbeltiere die ersten Kauwerkzeuge entwickelt haben – und zwar auf einem anderen Weg als die heutigen Wirbeltiere mit Zähnen im Kiefer.

„Beim Fressapparat von Conodonten entwickelten sich Kauwerkzeuge von unvergleichlicher Schärfe, die den Druck maximierten“, schreiben die Forscher um David Jones von der University of Bristol. Gemeinsam mit Kollegen der australischen Monash University nutzten sie einen ingenieurtechnischen Ansatz, um die Beißkraft der ausgestorbenen Tiere zu klären. Am Beispiel der Conodonten-Art Wurmiella excavata und mithilfe von Röntgenanalysen entwickelten sie ein hochauflösendes 3D-Modell von acht Paaren versteinerter Zahnelemente. Diese können bis zu 0,2 Millimeter klein sein. Eine Methode namens Finite-Elemente-Analyse half den Forschern, die im Modell wirkenden physikalischen Kräfte mit denen ähnlich großer Fledermauszähne zu vergleichen. Außerdem simulierten sie den vermutlichen Kauvorgang, erklärt Philip Donoghue, Ko-Autor und Paläobiologe in Bristol: „Wir wollten herausfinden, wie diese feinen Zähne zusammenpassten und wie sie Fressabläufe ausführen konnten.“

Anders als bei Säugetieren, die ihre Zähne im Kiefer beim Beißen kraftvoll senkrecht auf und ab bewegen, nutzten die Conodonten offenbar die konzentrierte Kraft auf kleiner Fläche und verschoben ihre extrem scharfen Zahnelemente seitlich hin und her wie Sägezähne. Das bestätigten auch die Abnutzungsspuren der gefundenen Zahnfossilien. Die Forscher schließen außerdem auf zähe Beute, die zerkleinert werden musste, weil sich bei den Conodonten teils gekerbte Schnittflächen ausbildeten wie etwa bei heutigen Hunden und Katzen.

Ein Zahn kann umso mehr Druck auf eine Fläche ausüben, je stärker er darauf presst oder je kleiner bei gleichem Druck seine Auflagefläche ist. Während die heutigen Wirbeltiere im Laufe der Evolution die erste Variante entwickelten, indem sie Kiefer mit optimierter Hebelwirkung und starke Kaumuskeln ausbildeten, setzten die Conodonten offenbar auf die zweiten Weg. Conodonten – auch „Kegelzähne“ genannt – entwickelten sich als primitive Wirbeltiere vor mehr als 500 Millionen Jahren am Anfang des Kambriums und starben in der Trias vor rund 200 Millionen Jahren wieder aus. Rund 3.000 verschiedene Arten sind heute bekannt. Am besten erhalten sind fossile Conodont-Zähne, die teilweise winzigen Haifischzähnen ähneln. In Sedimentgesteinen sind sie zuhauf zu finden, wegen ihrer geringen Größe allerdings auch leicht zu übersehen.

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Quelle: „The sharpest tools in the box? Quantitative analysis of conodont element functional morphology”, David Jones, Philip C. J. Donoghue et al.; Proceedings of the Royal Society B,
DOI: 10.1098/rspb.2012.0147


 

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