Rekordmaterial für mehr Strom aus heißen Abgasen

Chemiker treiben thermoelektrische Werkstoffe durch geschickte Strukturierung und Dotierung zu höheren Wirkungsgraden
Struktur und Foto vom neuen thermoelektrischen Materials
Struktur und Foto vom neuen thermoelektrischen Materials
© M Kanatzidis
Evanston (USA) - Heiße Abgase aus dem Auspuff oder Kraftwerksschlot können direkt zur Stromgewinnung genutzt werden. Doch die dazu nötigen, sogenannten thermoelektrischen Materialien beschränken den Wirkungsgrad bisher auf deutlich unter zehn Prozent. Nun gelang es einer amerikanischen Forschergruppe, diese Effizienz bei Bleitellurid signifikant zu erhöhen. Wie sie in der Zeitschrift „Nature“ berichten, kommen damit Wirkungsgrade von bis zu 20 Prozent in greifbare Nähe. Nach jahrelanger Arbeit an thermoelektrischen Werkstoffen könnte die Stromgewinnung aus Abgasen zu einer lohnenswerter Methode für die Umwandlung von bisher ungenutzer Abwärme zu Strom avancieren.

Für diesen Erfolg vereinten Mercouri Kanatzidis und seine Kollegen von der Northwestern University in Evanston eigentlich widersprüchliche Eigenschaften in einem einzigen Material. So veränderten sie den Halbleiter Bleitellurid derart, dass er in Kontakt zu einer Wärmequelle einerseits Elektronen für einen Stromfluss über den sogenannten Seebeck-Effekt freisetzen und gut leiten konnte. Andererseits blockierte das Material die Ausbreitung von Wärme, so dass zwischen den beiden Enden des Bleitellurids lange eine hohe Temperaturdifferenz bestehen blieb. Dieser Temperaturunterschied ist eine grundlegende Bedingung für den effizienten Betrieb von thermolektrischen Minikraftwerken.

Der innere Aufbau des kristallinen Bleitellurids war verantwortlich für die rekordverdächtigen thermoelektrischen Eigenschaften, welche die Forscher mit dem sogenannten ZT-Wert angeben. So bauten Kanatzidis und Kollegen über ein spezielles Sinterverfahren kleine Nanopartikel aus Strontiumtellurid in ihr Material ein, um bei Wärmekontakt mehr Ladungsträger für eine höhere Stromausbeute erzeugen zu können. Zusätzlich dotierten sie diese Mischkristalle mit Natrium, wodurch die Wärmeleitfähigkeit reduziert werden konnte. Damit verdoppelten sie den thermoelektrischen Wirkungsgrad (ZT=2,2) im Vergleich zu ersten Bleitellurid-Kraftwerken, die beispielsweise bei der Apollo-Mission zum Mond genutzt wurden und mit hoher Wahrscheinlichkeit noch heute auf der Oberfläche des Erdtrabantens elektrischen Strom erzeugen.

„Das ist nicht nur ein großer Schritt für diese Arbeitsgruppe, sondern auch ein gigantischer Sprung für das Feld der Thermoelektrik“, beurteilt Tom Nilges von der Technischen Universität München diese Ergebnisse. Denn mit den Fertigungsverfahren von Kanatzidis könnte nun gezielt die Effizienz vieler thermoelektrischer Substanzen, darunter auch weniger giftige als Bleitellurid, deutlich verbessert werden. Allerdings befinden sich diese thermoelektrischen Module noch in einer Entwicklungsphase. Doch sie eröffnen einen vielversprechenden Weg, um aus Abwärme mehr Strom als bisher erzeugen zu können. So könnten schon bald kleine thermoelektrische Kraftwerke an einem Autoauspuff genug Strom erzeugen, um die Drehmaschine entlasten und den Verbrauch eines Fahrzeug um etwa zehn Prozent senken zu können.

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