Rausschmiss aus der Kapillare

Blutgefäßmembran umschließt blockierende Ablagerungen und befördert sie gezielt nach draußen ins Hirngewebe, wo sie keinen Schaden mehr anrichten
Die Müllabfuhr der Kapillaren beseitigt eine Blockade in jungen Jahren innerhalb weniger Tage
Die Müllabfuhr der Kapillaren beseitigt eine Blockade in jungen Jahren innerhalb weniger Tage
© C.K. Lam, et al., Nature, 2010
Evanston (USA) - Was macht man mit Störenfrieden? Rausschmeißen! Genau das tun auch die feinsten Blutgefäße im Gehirn, wenn sie störenden Abfall wie Blutgerinnsel oder Cholesterin- und Kalzium-Ablagerungen loswerden wollen. Die Kapillaren befördern den unerwünschten Müll nach draußen, indem sie eine Membran aus der Gefäßwand wachsen lassen, welche die Blockade umschließt und dann aus dem Gefäß schiebt. Das haben amerikanische Forscher in den Blutgefäßen von Mäusen beobachtet. Sie stellten dabei auch fest, dass dieser Mechanismus mit zunehmendem Alter langsamer und weniger gründlich arbeitet, berichten sie in "Nature".

"Dieses Nachlassen könnte ein Faktor bei altersbedingtem geistigen Verfall sein und auch erklären, warum sich ältere Schlaganfall-Patienten nicht so gut erholen wie jüngere Patienten", erläutert Jaime Grutzendler von der Northwestern University Feinberg School of Medicine. "Sie erholen sich weit langsamer." In den größeren Blutgefäßen werden Ablagerungen gelöst, indem der Blutdruck gegen die Verklumpung stößt und sie eventuell auflöst und wegspült oder Enzyme die Blockade auflösen. In den Kapillaren allerdings greifen diese Säuberungsmechanismen nicht immer. "Also was passiert mit den Blutgefäßen, die nicht gesäubert werden?", fragten sich Grutzendler und seine Kollegen. "Sterben sie ab oder übernehmen irgendwelche anderen Mechanismen?" Um dies zu klären, hatten die Forscher Mäusen mit rotem Fluoreszenzfarbstoff versehene Mikro-Klümpchen injiziert und dann mithilfe einer speziellen Mikroskopiertechnik die Kapillargefäße in deren Hirn und zu verschiedenen Zeitpunkten mehrere Tage lang beobachtet.

Sie stellten fest: Bereits am ersten Tag beginnt die innere Membran der Gefäßwände nahe der Blockade, sich um das Klümpchen herum auszudehnen. Am dritten Tag hat die Membran den Störenfried vollkommen umschlossen, einen Weg ins Gewebe außerhalb des Gefäßes erschlossen und damit das Gefäß bereits wieder ein wenig frei geräumt. Am fünften Tag ist das Klümpchen nach draußen ins Hirngewebe befördert worden, wo die Ablagerung keinen Schaden mehr anrichten kann. Die Blockade ist verschwunden und das Gefäß wieder völlig frei. Bei älteren Mäusen lässt die Effektivität des Schutzmechanismus allerdings nach, konnten die Forscher auch beobachten. Dadurch sind die umliegenden Nervenzellen für einen längeren Zeitraum schlechter mit Sauerstoff versorgt und tragen eher Schäden davon.

(c) Wissenschaft aktuell
Quelle: "Embolus extravasation is an alternative mechanism for cerebral microvascular recanalization", Grutzendler et al.; Nature (Vol. 465, S. 478)


 

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