Projekt Desertec: Aufbau erster Kraftwerke im Wüstensand

Pilotanlagen in Marokko, Algerien und Tunesien – Solarthermie-Anlagen sollen Export nach Europa sichern
Solarthermisches Turmkraftwerk in Südspanien
Solarthermisches Turmkraftwerk in Südspanien
© Torresol Energy
Hamburg - Mit dem Arabischen Frühling, den Wahlen in Ägypten und Bürgerkrieg in Libyen ist es still geworden um die Vision „Wüstenstrom für Europa“. Doch wenige Tage vor der dritten Jahrestagung der Desertec Industrie Initiative (DII) Anfang in Berlin mehren sich die Anzeichen, dass schon bald erste Solarkraftwerke im sonnenreichen Nordafrika Strom liefern werden. Laut Presseberichten soll sogar ein Abkommen zwischen Frankreich, Italien, Deutschland, Spanien und Marokko den Bau eines 600 Millionen Euro teuren Solarkraftwerks in den kommenden Jahren forcieren. Neben der Versorgung nordafrikanischer Staaten rückt damit auch der Export des Solarstroms nach Europa wieder in den Fokus.

Mit dem Preisverfall und Überkapazitäten von Photovoltaik-Modulen (PV) in jüngster Zeit scheint die direkte Stromgewinnung mit Solarzellen den wirtschaftlich lukrativsten Weg aufzuzeigen. „Aber der Export nach Europa klappt sinnvoll nur mit einem großen Anteil an solarthermischen Kraftwerken“, sagt Georg Brakmann, Sprecher des Netzwerks „Deutsche CSP“, zu dem sich etwa 40 Industrieunternehmen und das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt zusammengeschlossen haben. Der Grund: Im Gegensatz zu Photovoltaik-Solarkraftwerken, die Strom nur am Tag bereitstellen können, verfügen Solarthermie-Anlagen über eine Speichermöglichkeit.

„Rein vom Preis her kann Solarthermie mit der Photovoltaik nicht konkurrieren“, weiß Brakmann. Doch dank großer Tanks mit flüssigen Salzen, die tagsüber aufgeheizt werden, können solarthermische Kraftwerke auch während der dunklen Nachtstunden zuverlässig Strom liefern. Die Entwickler sprechen hier von der sogenannten Grundlasttauglichkeit der Solarthermie. Im vergangenen Jahr belegte eine Anlage vom Unternehmen Torresol Energy in Südspanien bei Fuentes de Andaluciá, dass mit der gespeicherten Hitze sogar ein 24-Stunden-Betrieb der stromerzeugenden Generatoren möglich ist. Wollte man dagegen den Strom aus Photovoltaik-Kraftwerken für die Nachtstunden speichern, wären laut Brakmann sehr teure Batterie-Speicher nötig.

„Doch Photovoltaik und Solarthermie sind keine direkten Konkurrenten“, sagt Brakmann. So könnte eine Mischung aus beiden solaren Kraftwerkstypen zur optimalen Nutzung des Wüstensonne beitragen. Ergänzend sind auch Windparks beispielsweise an der marokkanische Atlantikküste oder entlang des Atlas-Gebirges vorstellbar. Um allerdings die Basis für zuverlässige Stromlieferungen über lange Überlandleitungen und Seekabel nach Europa legen zu können, müsste die Abhängigkeit der Stromproduktion vom Sonnenstand reduziert werden. Daher sieht Brakmann weiterhin große Chancen für Solarthermie-Kraftwerke in Nordafrika, die das Sonnenlicht entweder mit Parabolspiegeln einfangen oder über flache Reflektoren auf einen zentral positionierten Solarturm bündeln.

Vorreiter beim Wüstenstrom ist heute die Maghreb-Monarchie Marokko. Im Rahmen des nationalen Solarplans, unterstützt durch die landeseigene Agentur Masen, sollen bis 2020 insgesamt Kraftwerke mit 2.000 Megawatt Leistung gebaut werden. Nutznießer wird in erster Linie das Land selbst sein, um seinen steigenden Strombedarf decken zu können. Doch Marokko ist mit Spanien über die Meerenge von Gibraltar bereits mit leistungsfähigen Stromleitungen verknüpft, durch die auch die ersten Kilowattstunden Wüstenstrom nach Europa gelangen könnten. Zusätzlich begleitet die Desertec Industrie Initiative (DII) den Aufbau von Kraftwerken in Tunesien und Algerien. Libyen und Ägypten verfügen zwar auch über ambitionierte Wüstenstrom-Pläne, doch stockt in diesen Ländern die Umsetzung wegen der noch unsicheren politischen Lage. Bis zum großen Ziel, Europas Bedarf bis 2050 zu mindestens 15 Prozent mit Wüstenstrom zu decken, sind noch viele Hürden zu überwinden.

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Quelle: Wissenschaft aktuell, DII, Deutsche CSP, Masen


 

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