Präzise Schätzung: Knapp 9 Millionen Arten leben auf der Erde

Neue Berechnungen präzisieren Gesamtzahl der Spezies mit Zellkern - rund 90 Prozent davon sind noch unbekannt
Eine möglicherweise neue Art von Polychaeten (Vielborster) aus der Gattung Vigtorniella
Eine möglicherweise neue Art von Polychaeten (Vielborster) aus der Gattung Vigtorniella
© Yoshihiro Fujiwara/JAMSTEC
Halifax (Kanada) - Auf unserer Erde tummeln sich rund 8,7 Millionen Arten - Bakterien und Viren nicht mitgerechnet. Dies ist das Ergebnis der bislang genauesten Schätzung der Tiere und Pflanzen, Pilze, Algen und Einzeller mit Zellkern, mit denen sich der Mensch die Erde teilt. Bisherige Bewertungen waren weit weniger präzise und kamen zu völlig unterschiedlichen Zahlen - sie reichten von 3 bis 100 Millionen. Die neue Analyse fußt auf festen mathematischen Mustern, die sich in der systematischen Zuordnung der Arten erkennen lassen, berichtet ein Team internationaler Forscher im Fachblatt "PLoS Biology". Noch zu entdecken bleiben demnach 86 Prozent der Arten auf dem Land und 91 Prozent der Arten in den Meeren. Die Forscher beschränkten sich in der neuen Schätzung auf die Lebewesen mit Zellkern, sogenannte Eukaryoten. Nicht eingeschlossen sind die noch deutlich zahlreicheren Lebewesen ohne echten Zellkern, die Prokaryoten, sowie die Viren.

"Die Frage, wie viele Arten existieren, beschäftigt Wissenschaftler seit Jahrhunderten und die Antwort ist heute besonders wichtig, da viele Aktivitäten und Einflüsse seitens des Menschen die Rate des Aussterbens beschleunigen", erläutert Camilo Mora von der University of Hawaii und der Dalhousie University im kanadischen Halifax. Mora und seine Kollegen machten sich mathematische Zusammenhänge in der Systematik zunutze: Innerhalb der sogenannten Taxonomie werden in der Biologie Arten nach ihren verwandtschaftlichen Beziehungen in ein System geordnet, das zunächst nur grob und dann immer feiner unterscheidet und einteilt. Die Biologen hatten taxonomische Zusammenhänge der etwa 1,2 Millionen heute bekannten und in entsprechenden Katalogen und Registern verzeichneten Arten analysiert und verlässliche numerische Beziehungen zwischen den höheren taxonomischen Einordnungen und der Artenebene ausgemacht. Ihnen war aufgefallen, dass die Einteilung in die höheren Gruppen - also die Zuordnung in Stamm, Klasse, Ordnung, Familie und Gattung - einem gleichbleibenden und vorhersagbaren Muster folgt, aus dem auf die Gesamtzahl der Arten einer taxonomischen Gruppe geschlossen werden kann.

"Wir entdeckten, dass wir die Anzahl der Arten vorhersagen können, indem wir Zahlen aus den höheren taxonomischen Gruppen benutzen", erklärt Moras Kollege Sina Adl. "Der Ansatz berechnete akkurat die Anzahl der Arten in einigen gut bekannten Gruppen wie Säugern, Fischen und Vögeln, was Vertrauen in die Methode liefert." Aus den Berechnungen ergaben sich folgende Schätzung der Artenzahlen: Insgesamt leben auf der Erde 8,74 Millionen Arten Eukaryoten (plus/minus 1,3 Millionen), davon geschätzte 2,2 Millionen in den Ozeanen. Von den rund 8,7 Millionen sind ungefähr 7,77 Millionen Tierarten, von denen 953.434 bisher beschrieben und katalogisiert sind; etwa 289.000 Pflanzenarten, von denen 215.644 bekannt sind; rund 611.000 Pilzarten, von denen man 43.271 kennt, und um die 63.900 Einzeller, von denen rund ein Drittel bereits beschrieben ist. Zum Vergleich: Die Rote Liste der Arten umfasst lediglich 59.508 Arten, von denen 19.625 als bedroht eingestuft werden - also nicht einmal ein Prozent der theoretisch geschätzten Gesamtzahl. Zwar sparen moderne Methoden wie DNA-Analysen Zeit und Geld bei der Bestimmung neuer Arten, doch würde es rein theoretisch bis zu 1.200 Jahre Arbeit von 300.000 Taxonomen benötigen und Unsummen kosten, alle verbleibenden Spezies noch zu identifizieren und zu beschreiben. Dabei sind nicht alle der unbekannte Arten im Dschungel oder der Tiefsee zu suchen, so Co-Autor Alastair Simpson: Einige könnten buchstäblich sogar im eigenen Garten leben.

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Quelle: "How Many Species Are There on Earth and in the Ocean?", Camilo Mora et al.; PLoS Biology, doi:10.1371/journal.pbio.1001127


 

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