Pilze machen ihren eigenen Wind
„Die meisten Leute, selbst Wissenschaftler, stellen sich Pilze schlicht als Sporenproduktionsmaschinen vor“, erläuterte Marcus Roper von der University of California in Los Angeles. Und je mehr Sporen jede Maschine produziere, desto wahrscheinlicher sei es, dass sie erfolgreich neue Lebensräume besiedelt. Seine Kollegin Emilie Dressaire vom Trinity College in Hartford ergänzte: „Unsere Forschung zeigt, dass diese ‚Maschinen’ sehr viel komplexer sind als das: Sie kontrollieren ihre örtlichen Umgebungen und erzeugen Winde, wo in der Nature keine wären. Es ist ziemlich verblüffend, aber Pilze sind ausgeklügelte Ingenieure.“ Den Ausführungen der Physiker zufolge galt lange die Annahme, dass die Sporen den Elementen ausgeliefert sind und einfach nur vom sogenannten Fruchtkörper des Pilzes – also dem sichtbaren, über der Erde liegenden Teil – freigesetzt und dann vom Wind weiter befördert werden. Eine Spore, die von einer Pilzkappe fällt, kann demnach nur hoffen, einen günstigen Luftzug zu erwischen, um von der zum Teil winzigen Lücke zwischen Hut und Erdboden entkommen zu können.
Wie kann es denn dann aber sein, fragten sich Dressaire und ihre Kollegen, dass sich Sporen auch bei Windstille verbreiten können. Also nutzten die Physiker Hochgeschwindigkeitskameras, um verschiedene Pilze – zum Beispiel Shiitake-Pilze – beim Freisetzen ihrer Sporen zu beobachten. Die Daten aus diesen Beobachtungen ergänzten sie mit indirekten Messungen und Modellrechnungen. Sie fanden heraus: Pilze manipulieren aktiv die Luftströmungen in ihrer unmittelbaren Umgebung, indem sie nicht nur die Sporen, sondern auch Wasserdunst freisetzen. Die Feuchtigkeit kühlt die Luft ab, wodurch die Auftriebskraft verändert wird. Diese Manipulation ermöglicht es den Sporen, vom Pilzhut – der mitunter nur wenige Millimeter über dem Grund oder vom nächsten Hut entfernt liegt – zu entkommen und sich zu verbreiten. „Pilze sind in der Lage“, so Dressaire, „ihre Sporen selbst im ungastlichsten Umfeld zu verbreiten.“