Pilotstudie: Pockenviren eignen sich zur Krebstherapie

Ins Blut verabreichte genetisch veränderte Pockenviren befallen nur Krebszellen und lösen keine starken Nebenwirkungen aus - erste Tests am Menschen erfolgversprechend
Vaccinia-Virus im Elektronenmikroskop
Vaccinia-Virus im Elektronenmikroskop
© CDC/Cynthia Goldsmith
San Francisco (USA) - Einige Viren haben die Fähigkeit, gezielt Krebszellen zu befallen. Solche onkolytischen Viren lassen sich für eine neue Form der Krebstherapie nutzen, ohne die Patienten zu gefährden, berichten amerikanische und kanadische Mediziner. Erstmals übertrugen sie genetisch veränderte Pockenviren in den Blutkreislauf von Patienten mit unterschiedlichen Arten von Krebstumoren. Die Viren drangen tatsächlich nur in die Krebszellen ein, verschonten gesundes Gewebe und lösten keine bedrohlichen Immunreaktionen aus, so dass kaum Nebenwirkungen auftraten. In erster Linie sollte die Studie die Sicherheit des Verfahrens prüfen. Bei den Patienten, die mit der höchsten Virendosis behandelt wurden, war aber auch bereits ein deutlicher krebshemmender Effekt nachweisbar, schreiben die Forscher im Fachjournal "Nature".

"Onkolytische Viren sind einzigartig, weil sie Tumoren auf verschiedene Weise angreifen können, nur milde Nebenwirkungen auslösen und leicht zu verändern sind, wenn sie an unterschiedliche Krebsarten angepasst werden sollen", sagt John Bell vom Ottawa Hospital Research Institute. Er entwickelte zusammen mit David Kirn vom Biotech-Unternehmen Jennerex in San Francisco und weiteren Kollegen ein genetisch verändertes Virus mit der Bezeichnung JX-594. Dabei gingen sie von Vaccinia-Viren aus, einem wahrscheinlich aus Kuhpockenviren hervorgegangenen Stamm abgeschwächter Viren, der früher als Lebendimpfstoff zur Pockenschutzimpfung verwendet wurde. Diese Viren haben bereits die natürliche Eigenschaft, sich bevorzugt in Krebszellen zu vermehren. Außerdem eignen sie sich zur intravenösen Verabreichung, da sie der Immunabwehr entgehen. Das Virus JX-594 ist mit zwei zusätzlichen Genen ausgestattet, wovon eines an der Zerstörung befallener Krebszellen mitwirkt und das andere der Markierung dient.

Dreiundzwanzig Patienten mit Tumoren im fortgeschrittenen Stadium, die nicht mehr auf vorhandene Medikamente ansprachen und bereits Metastasen gebildet hatten, erhielten jeweils eine Virus-Infusion, wobei unterschiedliche Mengen der Viren übertragen wurden. Zehn Tage später analysierten die Forscher Proben von Tumoren und gesundem Gewebe. Bei sieben von acht Patienten, die die höchste Dosis erhielten, hatten sich die Viren in den Tumoren vermehrt, nicht aber in den gesunden Zellen. In allen Fällen waren die von den Viren übertragenen Gene in den Krebszellen aktiv. Die stärksten Nebenwirkungen bestanden in leichten bis mäßigen Grippesymptomen, die weniger als einen Tag andauerten. Bei sechs von acht der hoch dosiert behandelten Patienten verlangsamte sich das Tumorwachstum in den folgenden Wochen, bei den anderen war dieser Effekt weniger oder gar nicht nachweisbar.

Im Hinblick auf das frühe Stadium der klinischen Erprobung sei die therapeutische Wirkung sehr ermutigend - zumal die Viren ja nur jeweils in einer einzigen Dosis verabreicht wurden, sagt Bell. Vermutlich wären auch wiederholte Infusionen möglich, ohne dass die Viren durch Antikörper im Blut inaktiviert würden, so die Autoren. Der Erfolg der Phase-1-Studie sei die Grundlage für weitere Entwicklungen dieser Form der Virentherapie. So ist geplant, weitere Gene in die Viren einzubauen, die - wenn sie in den Krebszellen eingeschaltet werden - zur Zerstörung von Tumoren beitragen. Da sich die onkolytischen Viren mit dem Blut im ganzen Körper ausbreiten, können sie auch Metastasen aufspüren und zerstören.

© Wissenschaft aktuell
Quelle: "Intravenous delivery of a multi-mechanistic cancer-targeted oncolytic poxvirus in humans", Caroline J. Breitbach et al.; Nature, doi: 10.1038/nature10358


 

Home | Über uns | Kontakt | AGB | Impressum | Datenschutzerklärung
© Wissenschaft aktuell & Scientec Internet Applications + Media GmbH, Hamburg