Pheromone: Warum infizierte Mäuse ihren Artgenossen stinken

Ein noch unbekannter Geruchsstoff kranker Tiere löst abweisendes Verhalten bei Artgenossen aus und verhindert so eine Ansteckung
Infizierte Mäuse produzieren ein abstoßendes Pheromon.
Infizierte Mäuse produzieren ein abstoßendes Pheromon.
© Shutterstock, Bild 174794720
Genf (Schweiz) - Das Zusammenleben in großen Gruppen begünstigt die Ausbreitung von Infektionskrankheiten. Deshalb haben Tiere, die in sozialen Verbänden leben, die Fähigkeit entwickelt, kranke Artgenossen frühzeitig zu erkennen und den Kontakt mit ihnen zu vermeiden. Mäuse erkennen infizierte Tiere am Geruch. Das beruht jedoch nicht auf der Funktion der normalen Riechsinneszellen, berichten jetzt Schweizer Biologen im Fachblatt „Current Biology”. Vielmehr nehmen die Mäuse dabei ein Geruchssignal über ihr Vomeronasales Organ (VNO) wahr. Dieses spezielle Riechorgan liegt ebenfalls in den Nasenhöhlen. Bisher war es vor allem dafür bekannt, dass es auf Pheromone reagiert, die das Sexualverhalten steuern. Die chemische Natur des Duftstoffs, der mit dem Urin ausgeschieden wird, ist noch nicht aufgeklärt.

„Wir haben das neurale System identifiziert, das es Nagetieren ermöglicht, ihre kranken Artgenossen zu erkennen und den Kontakt mit ihnen zu vermeiden“, sagt Ivan Rodriguez von der Universität Genf. Zusätzlich zur normalen Riechschleimhaut verfügen Säugetiere und andere Wirbeltiere über ein VNO, das sich in kleinen Einbuchtungen auf beiden Seiten der Nasenscheidewand befindet. Von den dort liegenden Sinneszellen verlaufen Nervenfortsätze zum Gehirn. Sie reagieren nur auf spezielle Duftstoffe von Artgenossen, wodurch angeborene Verhaltensweisen ausgelöst werden. Das VNO spielt unter anderem bei der Partnerwahl eine wichtige Rolle, indem es Anziehung oder Abstoßung eines Sexualpartners vermittelt.

Die Arbeitsgruppe von Rodriguez untersuchte, wie sich Mäuse anderen Mäusen gegenüber verhalten, denen Bestandteile von Bakterien injiziert worden waren. Diese Behandlung simuliert eine bakterielle Infektion, da sie dieselben Entzündungsreaktionen auslöst. Dass gesunde Tiere den Kontakt zu infizierten meiden, war bereits bekannt – welche neurale Prozesse dabei ablaufen, dagegen nicht. Die Biologen stellten zunächst fest, dass diese Abneigung offenbar auf einem Geruchsstoff beruht, der im Urin der Tiere enthalten ist. Dessen Wahrnehmung erfolgte einzig und allein durch das VNO. Das ergaben Experimente mit Tieren, deren VNO entweder wegen eines genetischen Defekts nicht mehr funktionsfähig oder chirurgisch entfernt worden war. Diese Mäuse mieden den Kontakt zu den scheinbar kranken Tieren nicht. Einige zeigten sogar verstärktes Interesse, was die Forscher als natürliches Neugierverhalten interpretieren, das nun nicht mehr durch das Warn-Pheromon unterbunden wurde. Versuche mit Tieren, die mit einem Mäuse-Hepatitis-Virus infiziert waren, lieferten ähnliche Resultate.

Welcher Geruchsstoff der infizierten Mäuse als Pheromon wirkt und über welche Rezeptoren im VNO die Wahrnehmung erfolgt, ist noch nicht geklärt. Die Biologen vermuten, dass durch Viren, Bakterien oder Parasiten ausgelöste Entzündungsprozesse die Produktion bestimmter Hormone oder anderer Proteine verstärken. Diese gelangen dann auch vermehrt in den Urin und könnten dessen Geruch verändern. Die Fähigkeit, infizierte Artgenossen zu erkennen und darauf durch ein angeborenes Verhalten der Kontaktvermeidung zu reagieren, hat nicht nur den Vorteil, eine Ansteckung zu verhindern. Es vergrößert auch den Fortpflanzungserfolg, wenn für die Paarung nur gesunde Partner in Frage kommen. Einige Fische und Vögel erkennen erkrankte Artgenossen an optischen Signalen: Beispielsweise ist in manchen Fällen die typische Färbung von Männchen bei Parasitenbefall weniger stark ausgeprägt, so dass ihre Attraktivität für die Weibchen sinkt. Auch Veränderungen von Verhalten oder Lautäußerungen können Signale für einen schlechten Gesundheitszustand sein.

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