Origami der Ringe: Das mathematische Geheimnis der Falt-Zelte und Fahrrad-Achten

Belgische Mathematiker entwickeln neuen Parameter der „Überkrümmung“ - Anwendungen für Molekülarbiologen, Künstler und Designer locken
Beispiele für ineinander gefaltete und gekrümmte Ringe
Beispiele für ineinander gefaltete und gekrümmte Ringe
© Pierre-Olivier Mouthuy, Alain M. Jonas
Leuven (Belgien) - Rasch aus der Hülle gezogen und schon entfaltet sich das Zelt von selbst. Dank eines flexiblen Kunststoff-Gestänges ist der Schlafplatz selbst bei strömenden Regen schnell aufgebaut. Belgische Forscher lüfteten nun das mathematische Geheimnis hinter diesen elegant und klein verpackbaren Strukturen. Sie entdeckten, dass ein einziger Parameter ausreicht, um alle Formen ineinander verdrehter Ringe von der platzsparenden, komprimierten Anordnung bis zur vollen Ausdehnung zu beschreiben. Diese „Überkrümmung“ könnte nicht nur für Zelte, sondern auch für Molekülstrukturen oder flexible, elektronische Schaltkreise genutzt werden. Ihre auf Experimenten und Berechnungen beruhende Studie veröffentlichten sie nun im Fachblatt „Nature Communications“.

„Trotz ihrer Popularität und ihrer technologischen Bedeutung beruhte das Design solcher Ringstrukturen überraschenderweise bisher rein auf Erfahrungswerten“, erklären Alain Jonas und seine Kollegen von der Katholischen Universität Leuven. So fällt es heute fast jedem leicht, einen großen, flexiblen Ring durch ein geschicktes Verdrehen mehrfach ineinander auf ein Drittel oder Viertel der ursprünglichen Maße zu falten. Den elegante geschwungenen Strukturen, die das Material während dieses Faltens einnimmt, wurde bisher wenig Beachtung geschenkt und sie konnten mathematisch auch nicht beschrieben werden.

Genau diese Lücke füllten nun Jonas und Kollegen mit ihrem einfachen mathematischen Modell. Sie definierten den neuen Parameter „Überkrümmung“ (mit dem Kürzel O für engl. overcurvature), der zusätzlich zur konstanten Kreiszahl π durch den Gesamtumfang des ausgefalteten Rings und dessen Krümmungsradius bestimmt wird. Für O=1 liegt der Ring in seiner maximalen Größe flach ausbreitet vor. Nimmt der Parameter Werte größer als 1 an, ergeben sich aus einer Formel die dreidimensionalen Strukturen beim Übergang zum zusammengefalteten Zustand. Wird etwa der Wert 3 erreicht, liegt die Struktur flach in drei aufeinander liegenden, kleineren Ringen vor. Wird das mathematische Modell mit noch höheren Werten für die Überkrümmung gefüttert, lassen sich immer kompliziertere, verdrehte Strukturen simulieren. Nur bei ganzzahligen ungeraden Werten werden flache Anordnungen mit der jeweiligen Ringanzahl erreicht.

Mit diesem eleganten mathematischen Modell lassen sich nun nicht nur die Formen von flexiblen Zeltstangen und zu „Achten“ verbogenen Fahrradfelgen eindeutig beschreiben. Nach Meinung der Forscher wird es auch für die Erklärung von komplexen Molekülstrukturen und flexiblen, elektronischen Schaltkreisen genutzt werden können. Nicht zuletzt könnten auch Künstler und Designer das Prinzip der „Überkrümmung“ für neue, überraschende Skulpturen und Produkte verwenden.

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