Ökostadt in der Wüste - Masdar-City vor dem Neustart

"Seit Beginn der Bauphase wollen wir kontinuierlich lernen, anpassen und unsere Vision für Masdar-City weiterentwickeln", sagte Sultan Al Jaber, Direktor der Planungs- und Investitionsgesellschaft Masdar. Der Schlüssel zum Erfolg liege darin, flexibel zu sein und sich an die Entwicklungen von Markt und Technologie anzupassen. Genau diese Flexibilität fordert nun erste Opfer. So wird Masdar-City seinen Energiebedarf doch nicht allein aus stadteigenen Solarkraftwerken decken können. Stromleitungen – beispielsweise von Geothermie-Kraftwerken – sollen von außerhalb in die Stadt führen und diese versorgen helfen. Für die Klimatisierung der Gebäude in der wochenlang etwa 50 Grad heißen Region könnten sonnenbetriebene Kühlstationen genutzt werden. Allerdings bestehe weiterhin der Anspruch, die Energie ausschließlich aus erneuerbaren Quellen zu gewinnen. Die Vision als Ganzes bleibe erhalten, so Al Jaber.
Auch in anderen Punkten hatte sich Masdar die Ziele offenbar zu hoch gesteckt. Unter allen Gebäuden sollte ein flächendeckendes Netz aus ferngesteuerten "Pods" für die gewünschte Mobilität innerhalb der Stadtgrenzen sorgen. Diese Idee dieser "Personal Rapid Transport"-Systems, das in einer ähnlichen Version derzeit am Londoner Flughafen Heathrow getestet wird, findet sich nur noch in einem kleineren Pilotprojekt wieder, das einzelne Häuser verbinden soll. Für das Pod-Netzwerk hätte die ganze Stadt auf einem 7,5 Meter hohem Sockel stehen müssen. Auf diese aufwendige Baumaßnahme können nun weitgehend verzichtet werden. Auf breiteren Straßen könnten nun andere, bereits weiter gereifte Elektromobile vom Segway bis zum Elektroauto die entstandene Mobilitätslücke stopfen. Das Verbot von Fahrzeugen mit Verbrennungsmotoren bleibt für das Stadtgebiet jedoch aktuell.
Jeden Eindruck eines möglichen Scheiterns des ambitionierten Projekts wollen die Masdar-Sprecher vermeiden. Doch den Skeptikern bieten sie neben dem abgespeckten Masterplan weitere Angriffspunkte. So reduzierte Masdar das Investitionsvolumen von ursprünglich 22 Milliarden Dollar: "Die geschätzten Kosten liegen nun um 10 bis 15 Prozent niedriger bei 18,7 bis 19,8 Milliarden Dollar, sagt Alan Frost, Direktor von Masdar-City. Ob damit die Investoren-Laune gehoben werden kann, bleibt zumindest fraglich.
Fortschritte im Bauprozess betont Masdar daher umso mehr. Weiterhin wird die Internationale Agentur für Erneuerbare Energien seine Zentrale in der Ökostadt aufbauen. Zudem zogen in den vergangenen Wochen die ersten etwa 100 Professoren und Studenten in mittlerweile sechs fertiggestellte Gebäude des Masdar-Institute ein. Diese sollen den Grundstock für einen international führenden Thinktank für Erneuerbare Energien bilden. Doch vollkommen klima- und ressourcenneutral leben die Wissenschaftler auf der Baustelle - wie eigentlich vorgesehen – nicht. Allerdings liege ihr Verbrauch an Wasser und Elektrizität immerhin bei nur etwa der Hälfte des Durchschnitts für Abu Dhabi. Ein knappes Drittel des Stroms wird aus den Photovoltaik-Modulen und 75 Prozent des Warmwassers über Kollektoren auf den Institutsdächern gewonnen. Das erreichen aber auch schon moderne Touristenanlagen auf mancher Mittelmeerinsel.
Die Korrektur des Masterplans zeigt, dass für eine klimaneutrale Zukunft doch etwas mehr nötig ist als der reine Wille und einige Milliarden Petrodollar. Ebenso wie der Baustopp von Mammutprojekten im benachbarten Dubai zeigt die Neuauflage von Masdar-City, dass die arabische Jagd nach Rekorden an ihre Grenzen stößt. Doch auch in ihrer reduzierten Form bleiben die Ziele für Masdar-City sehr ambitioniert. Bis 2025 sind weitere Änderungen nicht ausgeschlossen. Aber gerade durch die Bereitschaft, diese Retortenstadt fortwährend an die kommenden technologischen Entwicklungen anzupassen, kann sie als sinnvolles Großlabor für andere Siedlungsprojekte weltweit dienen.