Nussknacker-Mensch war ein Grasfresser

Forscher korrigieren bisherige Annahme über die Ernährungsweise eines Vormenschen
Gebissabdrücke von Nussknacker-Mensch Paranthropus boisei (links) und Homo sapiens (rechts)
Gebissabdrücke von Nussknacker-Mensch Paranthropus boisei (links) und Homo sapiens (rechts)
© Melissa Lutz Blouin, University of Arkansas
Salt Lake City (USA) - Die Bezeichnung "Nussknacker-Mensch" für einen entfernten Verwandten des Homo sapiens hat sich als unpassend herausgestellt: Trotz seiner mächtigen Kauwerkzeuge bevorzugte Paranthropus boisei keine harte pflanzliche Kost. Das schließen amerikanische Forscher aus Untersuchungen fossiler Zähne des Vormenschen, der vor mehr als einer Million Jahre in Ostafrika lebte. Chemische Analysen des Zahnschmelzes zeigten, dass auf dem Speiseplan des Hominiden kaum Nüsse oder Früchte, sondern überwiegend tropische Gräser standen. Kenntnisse über die Ernährungsweise seien wichtig, da sie Gründe für das Aussterben einer Art liefern können, schreiben die Wissenschaftler im Fachjournal "Proceedings of the National Academy of Sciences" (doi: 10.1073/pnas.1104627108).

"Wenn wir unsere Ergebnisse vor zwanzig Jahren auf einer Fachtagung präsentiert hätten, wären wir ausgelacht worden", sagt Matt Sponheimer von der University of Colorado in Boulder, ein Mitglied des Forscherteams. Die Schädelmerkmale von Paranthropus boisei - ungewöhnlich kräftige Kiefer, übergroße Backenzähne und stark ausgebildete Kaumuskulatur - legten nahe, dass der Hominide sich auf harte Pflanzennahrung wie Nüsse und Samen spezialisiert hatte. Die jetzt vorgelegten Resultate zeigen aber eindeutig, dass sich der Nussknacker-Mensch vor allem von Gräsern der Savanne ernährte.

Kohlenstoffisotope geben Auskunft über die Nahrung

Die Forscher entnahmen winzige Proben aus dem Zahnschmelz von 24 fossilen Backenzähnen, die von 22 Individuen stammten. Diese lebten vor 1,9 bis 1,4 Millionen Jahren in Nord- und Zentralkenia. Im Untersuchungsmaterial ließen sich noch Kohlenstoffatome (C) der pflanzlichen Nahrung nachweisen. Die Paläoanthropologen ermittelten nun, in welchem Mengenverhältnis die beiden stabilen Isotope C-12 und C-13 vorlagen. Dieser Wert liefert einen zuverlässigen Hinweis auf die Art der verzehrten Pflanzen. Im Kohlendioxid der Atmosphäre überwiegt das C-12-Isotop. Bei der Photosynthese binden Süßgräser und Riedgräser das Kohlendioxid durch ein anderes Enzym als Bäume, Sträucher und krautige Pflanzen. Die Enzyme unterscheiden sich darin, wie stark sie das C-12-Kohlendioxid gegenüber dem C-13-Kohlendioxid bevorzugen. Deshalb liegen die zwei Kohlenstoffisotope im Pflanzengewebe in unterschiedlichem Verhältnis vor.

Nahrungskonkurrenz mit grasenden Vierbeinern

Die mit den Zahnschmelzproben gemessenen Werte zeigten, dass durchschnittlich 77 Prozent der Nahrung von grasartigen Pflanzen stammte. Paranthropus boisei konkurrierte also bei der Nahrungssuche nicht mit anderen Primaten, die Früchte und Baumblätter fraßen, sondern eher mit den Vorfahren der Zebras, Schweine und Nilpferde, so die Forscher. Die mächtigen Kiefer dienten demnach nur dazu, große Mengen an Gras zu zermalmen. "Offen gesagt, hatten wir nicht erwartet, an einem entfernten Zweig unseres Familienstammbaums auf einen Primaten mit Eigenschaften einer Kuh zu stoßen", sagt Sponheimer.

Auch Zähne von Australopithecus-Funden sollten nun auf Kohlenstoffisotope untersucht werden, erklärt Thure Cerling von der University of Utah in Salt Lake City, der Leiter des Forscherteams. Die Gattung Australopithecus hat sich im Lauf der Evolution in zwei Linien aufgespalten, wovon die eine zur Gattung Paranthropus, die andere zur Gattung Homo führte. Zu wissen, was ausgestorbene Hominiden gegessen haben, lasse Rückschlüsse auf die Vegetation und damit die Verbreitung der Vormenschen zu. Das helfe zu verstehen, warum sie ausgestorben sind. So sind Lebensformen mit breitem Nahrungsspektrum anpassungsfähiger, während eine zu starke Spezialisierung verhängnisvoll werden kann, wenn sich die Umwelt ändert.

© Wissenschaft aktuell
Quelle: "Diet of Paranthropus boisei in the early Pleistocene of East Africa", Thure E. Cerling et al.; Proceedings of the National Academy of Sciences (PNAS), Online-Publikation, www.pnas.org/cgi/doi/10.1073/pnas.1104627108


 

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