Neuer Rekord: Supraleitung bei minus 70 Grad entdeckt

Schwefelwasserstoff wandelt sich unter extrem hohem Druck zu einem Metall mit herausragender elektrischer Leitfähigkeit
Heißer Supraleiter: In dieser Diamantpresszelle wandelte sich Schwefelwasserstoff unter enorm hohen Druck und auf -70 Grad tiefgekühlt in einen Supraleiter.
Heißer Supraleiter: In dieser Diamantpresszelle wandelte sich Schwefelwasserstoff unter enorm hohen Druck und auf -70 Grad tiefgekühlt in einen Supraleiter.
© M. Eremets et al., MPIC
Mainz - Spezielle Kupferoxide zählen heute zu den besten Supraleitern, müssen aber selbst unter hohem Druck noch auf minus 109 Grad Celsius abgekühlt werden. Diesen bisherigen Rekordwert konnte nun eine Mainzer Arbeitsgruppe deutlich überflügeln. Wie sie in der Fachzeitschrift „Nature“ berichten, schufen sie eine Schwefelhydrid-Verbindung, die schon bei minus 70 Grad in den supraleitenden Zustand überging und elektrischen Strom ohne Widerstand leitete.

„Diese Entdeckung macht nun Hoffnung auf Supraleitung bei Raumtemperatur mit anderen Wasserstoff-haltigen Materialien“, schreiben Mikhail Eremets vom Max-Planck-Institut für Chemie und seine Kollegen von der Mainzer Johannes Gutenberg Universität. Für ihre Experimente wählten die Wissenschaftler allerdings keine herkömmliche Metallverbindung. Ihre Ausgangssubstanz war Schwefelwasserstoff. Ein Gas, das bei Raumtemperatur unter Normaldruck verantwortlich für den starken Gestand faulender Eier ist.

Dieses Gas füllten Eremets und Kollegen in eine kleine Diamantpresszelle, mit der sich enorme Drücke von bis zu 200 Gigapascal aufbauen ließen. Das entspricht dem zweimillionenfachen Atmosphärendruck. Bei 96 Gigapascal wandelte sich Schwefelwasserstoff zu einem Metall. Und tiefgekühlt auf -70 Grad konnten die Forscher klare Anzeichen für einen Stromtransport ohne elektrischen Widerstand erkennen. Das exotische Metall hatte seine sogenannte Sprungtemperatur erreicht und ging in den supraleitenden Zustand über.

Verantwortlich für diesen bisher „heißesten“ Supraleiter war allerdings nicht molekularer Schwefelwasserstoff, das sich aus einem Schwefel- und zwei Wasserstoffatomen zusammensetzt. Eremets und seine Kollegen gehen davon aus, dass sich unter dem hohen Druck ein supraleitendes Schwefelhydrid aus einem Schwefel- und drei Wasserstoffatomen gebildet hatte.

Dieses Grundlagenexperiment basiert auf Theorien, die metallischen Wasserstoff als Supraleiter mit hoher Sprungtemperatur vorhersagten. Da sich reiner Wasserstoff jedoch nur sehr schwierig in ein Metall verwandeln ließ, griffen die Forscher zu Schwefelwasserstoff. Computersimulationen sagten für Schwefelhydrid eine Sprungtemperatur zwischen -80 und -70 Grad bei 200 Gigapascal vorher. Die Experimente belegten, dass sogar ein geringerer Druck von nur 90 Gigapascal ausreichte, um den supraleitenden Zustand zu erreichen.

Wegen der nötigen Drücke lässt sich aus metallischen Schwefelhydrid allerdings so bald kein technisch nutzbares Supraleiter-Kabel fertigen. Dennoch ermutigt diese Arbeit zu weiteren Studien an Wasserstoff-reichen Materialien. So ist es nicht ausgeschlossen, in Zukunft doch noch eine Substanz zu entdecken, die schon bei Raumtemperatur elektrischen Strom ohne Widerstand leiten könnte.

© Wissenschaft aktuell


 

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