Neuer Rekord: Silizium-Solarzelle erreicht 26,6 Prozent Wirkungsgrad

Prototyp mit Rückkontakten nähert sich dem theoretischen Maximum von 29,1 Prozent
Diese Silizium-Solarzelle erreicht dank Rückkontakten und Heteroübergängen einen Rekordwirkungsgrad von 26,6 Prozent.
Diese Silizium-Solarzelle erreicht dank Rückkontakten und Heteroübergängen einen Rekordwirkungsgrad von 26,6 Prozent.
© Kaneka
Osaka (Japan)/Brandenburg - In der Atacama-Wüste produzieren Solarkraftwerke elektrischen Strom schon für deutlich unter drei Eurocent pro Kilowattstunde. Doch Solarzellen aus Silizium werden nicht nur immer günstiger, auch ihr Wirkungsgrad steigt stetig. Nun überwanden japanische Wissenschaftler mit einer monokristallinen Siliziumzelle erstmals die 26-Prozent-Marke. Wie die Entwickler in der Fachzeitschrift „Nature Energy“ berichten, nutzten sie für die Fertigung ausschließlich in der Industrie etablierte Methoden. So könnte schon bald mit ersten Solarmodulen mit einer gesteigerten Stromausbeute gerechnet werden. Aktuelle Szenarien gehen davon aus, dass bis zum Jahr 2050 photovoltaisch erzeugter Strom weltweit ein Fünftel des gesamten Bedarfs an Primärenergie decken könnte.

„Lebensdauer der Ladungsträger, der Widerstand und die optischen Eigenschaften sind die wichtigsten Ansatzpunkte, um Solarzellen mit hohen Wirkungsgraden herzustellen“, sagt Kunta Yoshikawa vom japanischen Solarunternehmen Kaneka in Osaka. Um die bereits weit entwickelte Silizium-Technologie noch etwas zu verbessern, fokussierten sich Yoshikawa und seine Kollegen auf diese drei Parameter. Als Ausgangsmaterial für ihren 180 Quadratzentimeter großen Prototyp nutzten sie einen monokristallinen, nur 165 millionstel Meter dicken Siliziumwafer.

Die kristalline Siliziumschicht hüllten die Wissenschaftler von beiden Seiten mit dünnen Schichten aus amorphen Silizium ein. So entstanden sogenannte Heteroübergänge zwischen dem amorphen und kristallinen Halbleitermaterial. Dank dieser Sandwich-Struktur ließ sich die Rekombination der Ladungsträger reduzieren. Dieser Effekt tritt auf, wenn das Sonnenlicht Elektronen und Elektronenlöcher im Halbleitermaterial erzeugt hat und diese sich wieder vereinigen bevor sie als nutzbarer Strom abgeleitet werden konnten. Im neuen Prototyp gingen nun weniger Ladungsträger ungenutzt verloren und der Wirkungsgrad stieg an.

Um den Wirkungsgrad noch weiter zu steigern, ordnete Yoshikawa die elektrischen Kontakte ausschließlich auf der Rückseite der Solarzelle an. So konnte einfallendes Sonnenlicht die gesamte Vorderseite bestrahlen und zur Stromerzeugung genutzt werden. Zusätzlich beschichteten die Forscher die Vorderseite mit einer Antireflexionsschicht, um einen größeren Anteil des Sonnenlichts zur Stromerzeugung verwenden zu können.

Der in der Fachzeitschrift vorgestellte Prototyp erreichte bei Testmessungen im unabhängigen Photovoltaik-Labor des Fraunhofer Instituts für Solare Energiesysteme in Freiburg einen Wirkungsgrad von 26,3 Prozent. Kurz nach dem Einreichen der Studie gelang sogar noch eine weitere Steigerung auf 26,6 Prozent, die Yoshikawa Anfang April auf der Fachkonferenz „SiliconPV 2017“ in Freiburg präsentieren wird. Er ist davon überzeugt, dass sich mit seinem Ansatz Solarzellen aus kristallinem Silizium noch weiter optimieren lassen, um möglichst nah an das theoretische Wirkungsgradmaximum von 29,1 Prozent heranzureichen.

In Solarkraftkraftwerken sind monokristalline Siliziumzellen allerdings deutlich seltener verbreitet als die günstigeren Varianten aus polykristallinem Silizium. Diese Solarzellen erreichen im Labor allerdings nur etwa 21 Prozent Wirkungsgrad. Doch sie könnten in naher Zukunft mit einer zusätzlichen Schicht aus Perowskit - benannt nach einem natürlichen Kalziumtitanat-Mineral mit ähnlicher Kristallstruktur – optimiert werden. Dieses Ziel verfolgt das britische Unternehmen Oxford PV mit einer Pilotfabrik, die derzeit in Brandenburg nahe Berlin aufgebaut wird.

„Wir halten es für durchaus realistisch, dass innerhalb von zwei Jahren erste Module mit etwa 25 Prozent Wirkungsgrad auf den Markt kommen“, sagt Frank Averdung, CEO von Oxford PV. Nicht Perowskit allein soll Sonnenlicht in elektrischen Strom wandeln, sondern im engen Verbund mit einer konventionellen Siliziumzelle. Perowskit ist ein idealer Kandidat für dieses Tandem-Konzept. Denn je nach Zusammensetzung aus Methylammonium, Metallen wie Blei oder Zinn und Halogeniden wie Brom, Iod oder Chlor lässt sich seine Bandlücke variieren, also an bestimmte Wellenlängen im Sonnenspektrum anpassen.

Ein Tandem-Prototyp – entwickelt von den britischen Forschern gemeinsam mit dem Helmholtz-Zentrum für Materialien und Energie HZB in Berlin – erreichte vor einem Jahr bereits einen Wirkungsgrad von etwa 17 Prozent. Die obere Perowskit-Schicht nutzte das sichtbare Sonnenlicht, die darunter liegende Siliziumzelle den Infrarot-Anteil. „Der Tandem-Ansatz ist sehr logisch“, sagt HZB-Institutsleiter Bernd Rech. Sollte es so gelingen, den Wirkungsgrad der besten verfügbaren Silizium-Module zu überflügeln, besitze das Produkt Alleinstellungsmerkmale und finde laut Rech sicher Abnehmer.

„Doch Oxford PV wird selbst keine Tandem-Module für den Markt produzieren“, sagt Averdung. Die Brandenburger Pilotfabrik soll allein die technologische Machbarkeit belegen und einige hundert bis mehrere tausend Tandem-Wafer am Tag produzieren. „Danach werden wir unsere Technologie an große Modulhersteller weitergeben und Lizenzen verkaufen“, umreißt Averdung das Business-Modell. Das Konzept könnte aufgehen, den mit einem ersten Multimilliarden-Dollar-Hersteller von Siliziummodulen bestehe bereits eine Entwicklungskooperation.

Klein ist das Risiko für Oxford PV und seine Investoren nicht. „Für jede neue Solarzell-Technologie ist es trotz signifikanter Kostenvorteile sehr schwierig, kommerziell Fuß zufassen“, sagt Tom White, renommierter Perowskit-Forscher an der Australian National University. „Es wird nicht einfach, mit verfügbaren Silizium-Produkten zu konkurrieren, die bereits sehr hohe Wirkungsgrade erreicht haben“, pflichtet ihm Jao van de Lagemaat, Leiter der Perowskit-Forschung am amerikanischen National Renewable Energy Laboratory in Golden, Colorado, bei. Denn auch wenn Perowskit-Tandem-Zellen das Potenzial für Wirkungsgrade über 30 Prozent bieten, bremst bisher die noch geringe Stabilität der Perowskit-Schichten die Entwicklung langlebiger Prototypen. Monokristalline Siliziumzellen nach dem Bauplan von Kunta Yoshikawa hätten diesen Nachteil nicht, wären aber wahrscheinlich in der Herstellung teurer.

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