Neuer Ansatz für eine Jetlag-Therapie
"Wir schließen aus unseren Versuchen, dass die Tagesuhr der Nebenniere die Überwindung des Jetlags stark beeinflusst, indem sie die rhythmische Freisetzung von Glucocorticoiden ins Blut kontrolliert", schreiben Gregor Eichele und Kollegen vom Max-Planck-Institut für biophysikalische Chemie in Göttingen. Bisher ging man davon aus, dass die in allen Organen, Geweben und Zellen vorhandenen biologischen Uhren von einem Steuerzentrum, dem Suprachiasmatischen Nucleus, zentral reguliert werden. Diese Gruppe von Nervenzellen im Vorderhirn reagiert direkt auf Lichtinformationen aus der Netzhaut und gibt ihre Information über Hormone an sämtliche Zellen des Körpers weiter. Aber in ihren Versuchen mit Mäusen stellten die Forscher fest, dass sich die zahlreichen Einzeluhren nicht synchron, sondern unterschiedlich schnell an eine Zeitverschiebung anpassen. Zudem konnten sie eine starke Feedbackwirkung des rhythmisch schwankenden Blutspiegels von Steroidhormonen der Nebennierenrinde auf den zentralen Schrittmacher der biologischen Uhr nachweisen.
Für ihre Experimente simulierten die Forscher einen Jetlag bei Mäusen, indem sie die Tiere einem um sechs Stunden nach vorn verschobenen Hell-Dunkel-Tagesrhythmus aussetzten. Das entspricht einem Flug über sechs Zeitzonen nach Osten. Genetisch veränderte Mäuse, die keine Hormone der Nebennierenrinde mehr bilden konnten, passten sich sehr viel schneller an die Zeitverschiebung an. Mit dem Medikament Metyrapon, das die Produktion von Glucocorticoiden in der Nebennierenrinde blockiert, konnten die Forscher bei normalen Mäusen die Umstellung beschleunigen oder verlangsamen - je nachdem zu welcher Tageszeit das Mittel verabreicht wurde. Bevor ein solches Medikament beim Menschen einsetzbar wäre, müsste geprüft werden, ob die beschleunigte Anpassung an die neue Zeitzone auch gesundheitsschädliche Nebenwirkungen haben kann, schreibt Mary Harrington vom Smith College in Northampton in einem begleitenden Kommentar.
Ein Jetlag ist verbunden mit Schlaf- und Konzentrationsstörungen, Müdigkeit, Appetitlosigkeit und Stimmungsschwankungen. Die meisten Menschen leiden darunter, sobald die Zeitverschiebung mehr als drei Stunden beträgt. Besonders ausgeprägt sind die Beschwerden nach einem Langstreckenflug in östliche Richtung.
Kommentar: "Location, location, location: important for jet-lagged circadian loops", Mary Harrington, Journal of Clinical Investigation, Vol. 120(7), p. 2265, doi:10.1172/JCI43632