Neue Studie: Macht Musik Kleinkinder doch nicht schlauer?

Daten aus zwei Untersuchungen können zumindest kurzfristig keine positiven Effekte von Musikerziehung auf die Intelligenz nachweisen, die statistisch von Bedeutung wären
Die meisten Kinder haben große Freude an Musik.
Die meisten Kinder haben große Freude an Musik.
© Shutterstock, Bild115691938
Cambridge (USA) - Sich mit Musik zu beschäftigen oder sogar ein Instrument zu lernen, daran haben viele Kinder Spaß. Doch die verbreitete Meinung, dass viel Musik im Kleinkindalter den Intellekt fördert, ist vielleicht doch eher ein Mythos. Aktuelle Studien von US-Psychologen können diese Annahme schlicht nicht bestätigen – zumindest finden sie keinen positiven Effekt über einen Zeitraum von mehreren Wochen. Eine verallgemeinernde Aussage, dass Musik in früher Kindheit die allgemeine Intelligenz fördert, ist ihren Erkenntnissen zufolge vorschnell. Selbst mit Hilfe aufwändiger statistischer Analysen blieben die von ihnen beobachteten Effekte so gering, dass sie nicht als relevant anzusehen sind, berichten die Forscher im Fachblatt „PLoS ONE“. Allerdings sei nicht auszuschließen, räumen die Psychologen ein, dass längerer Musikunterricht durchaus positive Auswirkungen auf die Intelligenz haben könne. Bisherige Studien zu der Thematik seien zu unterschiedlichen Ergebnissen gekommen und weitere müssten zeigen, ob es tatsächlich einen Zusammenhang gibt oder nicht.

„Insgesamt schnitten Kinder, die Musikunterricht bekommen hatten, nicht besser ab als diejenigen, die Kunstunterricht oder keines von beidem gehabt hatten“, schreiben Samuel Mehr von der Harvard University und Kollegen. „Unsere Ergebnisse heben hervor, dass Wiederholungen in randomisierten kontrollierten Studien notwendig sind, und legen nahe, dass die positiven Ergebnisse früherer Studien zu kognitiven Effekten von Musikunterricht mit Vorsicht interpretiert werden sollten.“ Um den Widersprüchen aus bisherigen Untersuchungen auf den Grund zu gehen, hatten die Psychologen 29 Elternpaare und deren vierjährige Kinder zunächst zufällig einer von zwei Gruppen zugewiesen. Die einen erhielten Musik-, die anderen Kunstunterricht.

„Wir wollten die Effekte von der Art Musikerziehung testen, die tatsächlich im echten Leben passiert“, erzählt Mehr. „Und wir wollten die Effekte bei kleinen Kindern untersuchen, also führten wir ein Eltern-Kind-Musik-Programm für Vorschulkinder ein. Das Ziel ist, musikalisches Spiel zwischen Eltern und Kindern in der Umgebung eines Klassenraums zu fördern, was Eltern ein ordentliches Repertoire musikalischer Aktivitäten an die Hand gibt, die sie daheim mit ihren Kindern fortführen können.“ Nach sechs Wochen testeten die Forscher vier Bereiche des Denkvermögens der Kleinen: Wortschatz und Mathematik sowie zwei Bereiche räumlichen Vorstellungsvermögens. Sie fanden tatsächlich leichte Unterschiede, was das räumliche Denken betraf. Die Kinder der Musikgruppe schnitten ein wenig besser in dem einen Bereich ab, die Kinder aus der Kunstgruppe in dem anderen. Doch Mehr betont: „Die Effekte waren winzig und ihre statistische Relevanz bestenfalls marginal.“ Außerdem sei die Studie mit nur 15 und 14 Kindern pro Gruppe sehr klein gewesen.

Die Psychologen wollten also mehr Daten und wiederholten ihre Untersuchung in einer zweiten Studie mit 45 Familien. Nun erhielt die Hälfte wiederum Musikunterricht, die andere Hälfte diente allerdings als Kontrollgruppe und bekam gar keinen Unterricht. Doch eine positive Wirkung der Musikerziehung im Kleinkindalter auf die Intelligenz ließ sich immer noch nicht eindeutig nachweisen. Auch die Daten aus beiden Studien zusammengenommen brachten keine Effekte zu Tage, die statistisch von Bedeutung gewesen wären. Auch wenn eine unmittelbare positive Wirkung von Musikerziehung fraglich ist und sie nicht unbedingt eine Abkürzung zum Bildungserfolg darstellt, habe sie dennoch immer noch beträchtlichen Wert, betont Mehr. „Musik ist eine uralte Aktivität, die einzigartig für den Menschen ist“, so der Psychologe. „Die ältesten Flöten, die ausgegraben wurden, sind 40.000 Jahre alt und menschliche Lieder sind dem noch weit vorausgegangen. Jede einzelne Kultur auf der Welt hat Musik, auch Musik für Kinder. Musik sagt etwas darüber aus, was es bedeutet, Mensch zu sein, und es wäre verrückt, das unseren Kindern nicht beizubringen.“

© Wissenschaft aktuell


 

Home | Über uns | Kontakt | AGB | Impressum | Datenschutzerklärung
© Wissenschaft aktuell & Scientec Internet Applications + Media GmbH, Hamburg