Neuartiges Antibiotikum beseitigt hartnäckige Infektionen

Wirkstoff tötet auch inaktive Bakterien, ermöglicht damit eine vollständige Elimination von Erregern und erschwert die Entwicklung resistenter Keime
Ein Antibiotikum, das auch inaktive Bakterien abtötet, würde die Entwicklung resistenter Keime erschweren.
Ein Antibiotikum, das auch inaktive Bakterien abtötet, würde die Entwicklung resistenter Keime erschweren.
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Boston (USA) - Die meisten Antibiotika töten nur solche Bakterien ab, die sich vermehren. Oft geht aber ein Teil der Erreger in einen Ruhezustand über und entgeht dem Angriff. So entwickelt sich eine immer wieder aufflammende chronische Infektion, die nur schwer zu behandeln ist. Jetzt haben amerikanische Biologen ein Antibiotikum mit neuartigem Wirkmechanismus entdeckt, das auch ruhende Bakterien vernichtet. Es aktiviert ein eiweißspaltendes Enzym im Innern der Bakterien, was ihre Selbstzerstörung auslöst. Durch kombinierten Einsatz mit einem konventionellen Antibiotikum ist es nun gelungen, eine chronische Staphylokokkeninfektion bei Mäusen dauerhaft zu beenden, berichten die Forscher im Fachjournal „Nature“. Diese neue Strategie der Keimtötung könnte auch bei hartnäckigen Pilzinfektionen einsetzbar sein.

„Die Fähigkeit, eine Infektion schnell und vollständig zu beseitigen, wird dabei helfen, die Ausbreitung resistenter Erreger zu verhindern“, schreiben Kim Lewis von der Northeastern University in Boston und Kollegen. Bakterien, die den Einsatz mehrerer Antibiotika überstehen, indem sie sich vorübergehend in einen Ruhezustand versetzen, werden mit der Zeit hochresistent. Daher suchten die Forscher nach Wirkstoffen, die auch nicht-teilungsaktive Bakterien abtöten. Als besonders vielversprechend erwies sich die antibiotisch wirksame Substanz ADEP (Acyldepsipeptid), die von dem Bodenbakterium Streptomyces hawaiensis produziert wird. Eine chemische Variante davon, ADEP4, zeigte eine starke Wirkung gegen Staphylokokken und Streptokokken, die zu den sogenannten Gram-positiven Bakterien gehören.

ADEP4 aktiviert das eiweißspaltende Enzym ClpP der Bakterien. Diese Protease dient normalerweise nur dazu, fehlerhafte Proteine zu entsorgen. Die Anlagerung von ADEP4 hat zur Folge, dass das Enzym unkontrolliert und wahllos zahlreiche Proteine zerstört, so dass die Mikroben absterben. Dieser Effekt trat auch bei nicht wachsenden Zellen von Staphylococcus aureus ein. Zwar ist – wie bei allen Antibiotika – damit zu rechnen, dass sich mit der Zeit Mutanten entwickeln, die gegen ADEP4 resistent geworden sind. Experimente zeigten aber, dass sich diese dann leicht durch bekannte Antibiotika wie Rifampicin oder Ciprofloxacin beseitigen ließen. Mit einer Kombination aus ADEP4 und Rifampicin konnten die Forscher Staphylokokken in Laborkulturen auch dann vollständig eliminieren, wenn sie Biofilme gebildet hatten.

Biofilme sind Schleimschichten, die viele Bakterien auf Oberflächen produzieren. Im Körper sind die Erreger dadurch vor dem Immunsystem geschützt. Sie können sich im Schleim vermehren oder nach Übergang in ein Ruhestadium dort längere Zeit überdauern. Biofilme spielen bei verschiedenen chronischen Infektionen eine wichtige Rolle, beispielsweise bei Infektionen von künstlichen Herzklappen, Gelenksprothesen und anderen Implantaten, aber auch bei Osteomyelitis, Zahnfleischentzündungen und Karies. Schließlich gelang es den Forschern, durch dieselbe Wirkstoffkombination eine chronische Infektion durch Staphylococcus aureus bei Mäusen erfolgreich zu bekämpfen. Die Wissenschaftler hoffen, das neue Prinzip der Antibiotikatherapie in Zukunft gegen anhaltende Infektionen verschiedenartiger Erreger einsetzen zu können.

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