Mögliche Ursache für Morbus Crohn: Defektes Gen plus Virusinfektion

Bei Mäusen, die ein Risiko-Gen für Morbus Crohn tragen, ist die Auslösung einer Darmentzündung zusätzlich abhängig von einer Virusinfektion
Noroviren im Elektronenmikroskop
Noroviren im Elektronenmikroskop
© Centers for Disease Control and Prevention, USA
St. Louis (USA) - Manchmal genügt eine Infektion oder ein defektes Gen, um eine Krankheit auszulösen. Bei der chronisch-entzündlichen Darmerkrankung Morbus Crohn müssen aber offenbar mehrere Faktoren zusammenwirken, berichten amerikanische Forscher. Mäuse mit einer Genvariante, die das Krankheitsrisiko erhöht, entwickelten nur dann Symptome der Darmentzündung, wenn sie mit einem verbreiteten Virus infiziert und mit einer zellschädigenden Substanz behandelt wurden. Ähnliche Kombinationen aus Genen, Infektionen und Umwelteinflüssen müssten auch als mögliche Ursache anderer komplexer Krankheiten in Betracht gezogen werden, schreiben die Wissenschaftler im Fachblatt "Cell".

"Das ist der erste wirklich eindeutige Nachweis einer Krankheit, die durch ein spezifisches Virus und ein Krankheits-Gen verursacht wird", sagt Thaddeus Stappenbeck von der Washington University in St. Louis. Das Gen Atg16L1 ist eines von mehr als 30 bekannten Genen, deren Mutation die Wahrscheinlichkeit einer Morbus Crohn-Erkrankung erhöhen. Jeder zweite Mensch europäischer Abstammung trägt die Variante des Atg16L1-Gens, die das Krankheitsrisiko verdoppelt. Warum aber nur ein Bruchteil dieser Menschen erkrankt, ist unbekannt. Durch einen Zufallsbefund entdeckte nun das Forscherteam von Stappenbeck und Herbert Virgin, dass mit dem Krankheits-Gen ausgestattete Mäuse keine Morbus Crohn-Symptome entwickelten, wenn sie keimfrei aufgezogen wurden. Erst nach Infektion mit einem Norovirus war es möglich, mithilfe einer den Darm schädigenden Substanz krankheitstypische Entzündungen auszulösen.

Morbus Crohn wäre möglicherweise ein Beispiel für eine komplexe Krankheit, die sich aufgrund einer Kombination von Genvarianten, einer Infektion und speziellen Umweltfaktoren entwickelt. Diese Vorstellung würde auch erklären, warum nicht alle Crohn-Patienten die gleichen Symptome zeigen und der Krankheitsverlauf individuell ganz unterschiedlich sein kann, so die Forscher. Auch bei anderen chronischen Erkrankungen wie Diabetes, Alzheimer oder Multipler Sklerose könne es sich lohnen, nach bisher unbeachteten Virusinfektionen zu suchen. "Es gibt viele Viren, die nahezu 100 Prozent der Menschen infizieren. Wenn deren Gene mit den menschlichen Genen interagieren, könnten sie an der Entwicklung solcher Krankheiten beteiligt sein", sagt Virgin. Bestimmte Noroviren können auch Menschen infizieren und Magen-Darm-Entzündungen mit Brechdurchfall auslösen. Ob es eine Verbindung zwischen Noroviren und Morbus Crohn beim Menschen gibt, ist noch nicht geklärt.

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Quelle: "Virus-Plus-Susceptibility Gene Interaction Determines Crohn's Disease Gene Atg16L1 Phenotypes in Intestine", Ken Cadwell et al.; Cell, Vol. 141, p. 1135, DOI 10.1016/j.cell.2010.05.009


 

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