Mitgefühl von Ärzten spiegelt sich im Hirn

Gehirnaktivität belegt, dass sie sich bei der Behandlung in ihre Patienten hinein versetzen und es als belohnend empfinden, wenn sie helfen können
Boston (USA) - Wenn Ärzte sich um ihre Patienten kümmern, fühlen sie offenbar regelrecht mit. Auch empfinden sie es als belohnend, helfen zu können. Das konnten US-Forscher nun anhand von Hirnscans zeigen. In ihrer kleinen Studie beobachteten sie die Hirnaktivität von Ärzten direkt während der Behandlung einer Patientin. Dabei waren Hirnareale aktiv, die auch an Placebo-Effekten und dem Belohnungsempfinden beteiligt sind – letztere insbesondere bei denjenigen, die sich besonders gut in andere hineinversetzen konnten. Die im Fachblatt „Molecular Psychiatry“ vorgestellte Untersuchung beleuchtet einen komplexen und schwer greifbaren Aspekt der Gesundheitsversorgung: das Verhältnis zwischen Arzt und Patient.

„Unsere Ergebnisse haben gezeigt: Wenn Ärzte verordnen, was sie als effektiv erachten, werden bei ihnen dieselben Hirnregionen aktiviert, von denen bereits gezeigt wurde, dass sie aktiviert werden, wenn Patienten Placebo-Therapien erhalten“, erläutert Erstautorin Karin Jensen vom Massachusetts General Hospital. Jensen und ihre Kollegen hatten die Hirnaktivität von 18 Ärzten aus unterschiedlichen Fachrichtungen in einem komplexen Experiment untersucht. Zunächst demonstrierten sie ihnen ein Gerät, das angeblich zur Schmerzreduktion eingesetzt werden kann. Ein den Ärzten am Unterarm verabreichter Hitzeschmerz wurde dabei mit Hilfe dieses Gerätes gelindert – allerdings nur scheinbar, in Wirklichkeit reduzierten die Forscher lediglich die Hitzeintensität. Während der schmerzhaften Hitzeprozedur beobachteten sie mittels funktioneller Magnetresonanztomographie die Hirnaktivität ihrer Probanden. In der zweiten Phase des Experiments wurde den Ärzten eine vermeintliche Patientin vorgestellt, bei der sie eine ganz gewöhnliche Untersuchung vornahmen. So sollte eine realistische Arzt-Patienten-Beziehung entstehen. Außerdem beantworteten die Ärzte noch einige Fragen, die Aufschluss darüber gaben, als wie einfühlsam sie sich selbst einschätzen.

In der dritten Stufe des Experiments glaubten die Ärzte schließlich, die Patientin zu behandeln und dabei das Gerät zur Schmerzlinderung einzusetzen. Sie wurden angewiesen, entweder den Schmerz der Patientin zu mindern, nicht zu behandeln oder nur einen Kontrollknopf zu drücken, der keinen Effekt hatte. Die Forscher beobachteten währenddessen wiederum die Hirnaktivität ihrer Probanden. Möglich war dies, weil die Ärzte über einen Spiegel Augenkontakt zu ihrer Patientin halten und sie per Knopfdruck „behandeln“ konnten, während der Hirnscan durchgeführt wurde. Die Patientin reagierte mit geschauspielerten, adäquaten Gesichtsausdrücken auf die jeweiligen Situationen.

Es stellte sich heraus: Bei den Ärzten war während der Behandlung eine Hirnregionen aktiv, die auch bei Placebo-Effekten und der Erwartung von Schmerzerleichterung aktiviert wird – der rechte VLPFC, der ventro-laterale präfrontale Cortex. Außerdem zeigten sie Aktivität im sogenannten rostralen anterioren cingulären Cortex, kurz rACC, eine Hirnregion, die mit dem Belohnungsempfinden in Zusammenhang gebracht wird. Dieser Effekt war besonders ausgeprägt bei denjenigen Teilnehmern, die besonders gut in der Lage waren, sich in andere hineinzuversetzen. „Indem wir zeigen, dass die Versorgung eines Patienten ein komplexes Set von Hirnreaktionen einbezieht, einschließlich des tiefen Verständnisses der Gesichtsausdrücke des Patienten, möglicherweise in Kombination mit den eigenen Erwartungen des Arztes von Erleichterung und Belohnung, konnten wie die der Patientenversorgung zugrunde liegende Neurobiologie beleuchten“, erläutert Seniorautor Ted Kaptchuk von der Harvard Medical School. Das bestätige, dass das Arzt-Patienten-Verhältnis neben Medikamenten und Therapien ein wichtiger Teil der Gesundheitsversorgung ist.

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