Mit Strom gegen Matheschwäche
"Ich rate den Leuten jetzt sicherlich nicht, loszurennen und sich Elektroschocks zu verpassen", sagt Roi Cohen Kadosh von der University of Oxford. "Aber wir sind von den Möglichkeiten unserer Entdeckung extrem begeistert." In früheren Untersuchungen hatten die Forscher gezeigt, dass sich mit einer anderen Methode zur Hirnstimulation eine Rechenschwäche auslösen lässt. "Nun scheint es, dass wir jemanden auch besser in Mathe machen können", so Kadosh. "Elektrische Stimulation verwandelt einen zwar kaum in einen Albert Einstein, aber wenn wir erfolgreich sind, könnte sie in der Lage sein, einigen Menschen zu helfen, besser mit Mathematik klarzukommen." In ihrem Experiment brachten Kadosh und seine Kollegen 15 Freiwilligen über einen Zeitraum von sechs Tagen den Zusammenhang zwischen neun willkürlich gewählten Symbolen bei, welche die Probanden bis dahin nicht gekannt hatten. Zu Beginn der täglichen Lernphasen, die anderthalb bis zwei Stunden dauerten, setzten sie den linken und rechten Scheitellappen für 20 Minuten einem schwachen Stromfluss aus. Nach der Lernphase testeten sie die Fähigkeit der Versuchsteilnehmer, die neu gelernten künstlichen Zahlen zueinander in Beziehung zu setzen und ebenso, sie korrekt anzuordnen.
Die richtige Stimulation verbesserte das Vermögen der Kandidaten, mit den neu gelernten Symbolen mathematisch umzugehen, deutlich. Diese Verstärkung hielt sechs Monate an. Nachdem sie jetzt wissen, dass sich die Leistungen mathematisch normal Begabter mithilfe von tDCS verbessern lassen, wollen Kadosh und Kollegen die Methode auch bei Menschen testen, die ernste Schwierigkeiten mit Mathematik haben oder im Alter oder nach einem Schlaganfall Probleme entwickelt haben. Sollte die elektrische Stimulation tatsächlich auch bei ihnen Wirkung zeigen, wäre das eine große Hilfe. Denn die Betroffenen sind oft kaum in der Lage, einfache Alltagsaufgaben zu bewältigen - etwa das Zählen des Wechselgeldes beim Einkaufen oder das Verstehen von Zahlenangaben auf Lebensmitteletiketten.
Im Detail konnten die Forscher mit unterschiedlichen Stromeinflüssen unterschiedliche Ergebnisse erzielen: Das mathematische Können veränderte sich, je nachdem, wie die Hirnregionen stimuliert wurden. Die anodale Stimulation des rechten und die kathodale Stimulation des linken Scheitellappens führte zu besseren und stabileren Leistungen bei den Zahlenaufgaben. Dagegen brachte die umgekehrte Konstellation mit einer anodalen Stimulation des linken und einer kathodalen Stimulation des rechten Scheitellappens schlechtere Leistungen, die mit denen kleiner Kinder vergleichbar waren. Eine Scheinstimulation hatte ein Ergebnis zur Folge, das zwischen dem der anderen beiden Gruppen lag.