Metamaterial für Ultraschall

Akustische Linse beeinflusst die Wellenausbreitung nach Wunsch – Anwendung in Medizin und Unterhaltungstechnik
Prototyp eines akustischen Metamaterials, modular aus kleinen Kunststoffelementen aufgebaut.
Prototyp eines akustischen Metamaterials, modular aus kleinen Kunststoffelementen aufgebaut.
© Interact Lab, University of Sussex
Brighton (Großbritannien) - Metamaterialien sind symmetrisch aufgebaute Strukturen, mit denen bisher Licht- und Mikrowellen nach Wunsch selbst um Objekte herumgelenkt werden können. Erste einfache Tarnkappen und extrem flache Linsen wurden bereits entwickelt. Analog lassen sich mit speziell geformten Bauelementen auch akustische Metamaterialien herstellen. Britische Wissenschaftler stellen nun ein modular aufgebautes akustisches Metamaterial vor, mit dem sie die Ausbreitung von Ultraschallwellen kontrollieren konnten. Mögliche Anwendungen sehen die Forscher etwa bei stark fokussierten Ultraschallwellen, die gezielt Tumorgewebe in einem Körper zerstören sollen.

„Unsere Bausteine können angeordnet werden, um beliebige akustische Felder – limitiert durch die Beugung von Schallwellen – zu erzeugen“, sagt Gianluca Memoli von der University of Sussex in Brighton. Gemeinsam mit seinen Kollegen entwarf er ein Metamaterial für Ultraschallwellen mit einer Frequenz von 40 Kilohertz. Mit einem 3D-Drucker fertigten sie verschiedene Bauelemente aus einem thermoplastischen Kunststoff. Jedes Element war 8,66 Millimeter hoch, mit einer quadratischen Basis mit 4,33 Millimeter Kantenlänge, entsprechend einer ganzen und einer halben Wellenlänge der Ultraschallwellen. Durch die kleinen Bauelemente schlängelten sich filigrane mit Luft gefüllte Kanäle. Diese geschlängelten Hohlräume variierten in ihrer Struktur. Insgesamt fertigten die Physiker 16 verschiedene Elemente, die je nach innerer Struktur eine unterschiedlich große Phasenverschiebung der Ultraschallwellen verursachten.

Im Computer berechneten Memoli und Kollegen die Anordnung einzelner Bauelemente in der Fläche, um ein gewünschtes Schallfeld bilden zu können. Dabei ließ sich der akustische Fokus über einen großen Bereich variieren. Zur Demonstration der fokussierenden Eigenschaften eines flachen akustischen Metamaterials aus Dutzenden einzelner Module, richteten sie das manipulierte Ultraschallfeld auf eine kleine Plastikkugel und ließen diese durch den konzentrierten Schalldruck schweben. Dieser Effekt wird auch akustische Levitation genannt. Einen großen Vorteil sieht Memoli in den günstigen, mit 3D- Druckern schnell zu fertigenden Kunststoffmodulen. In der Medizin genutzte Ultraschallquellen könnten damit prinzipiell nicht nur für die Bildgebung, sondern mit einem fokussierenden Metamaterial auch zur gezielten Zerstörung von krankem Gewebe eingesetzt werden.

Die britischen Physiker sind jedoch nicht die einzigen, die mit akustischen, modular aufgebauten Metamaterialien experimentieren. So hatten vor wenigen Monaten Sahab Babaee und seine Kollegen von der Harvard University in Cambridge Metamaterialien präsentiert, die die Schallausbreitung über verschiedene Anordnungen von Würfeln, Hexaedern oder Oktaedern beeinflussten. Die berechneten Baupläne bildeten die Grundlage für Metamaterialien, die Schallwellen im hörbaren Frequenzbereich in alle drei Raumrichtungen fast nach Belieben umleiten sollten.

Für die praktische Umsetzung wählten Babaee und Kollegen kleine Kunststoffplättchen aus Polyethylen. Diese Plättchen verknüpften sie mit variablen Gelenken aus Doppelklebeband zu den symmetrisch aufgebauten akustischen Metamaterialien. Ein würfelförmiger Prototyp mit einer Kantenlänge von knapp 30 Zentimetern bestätigte die gute Kontrolle über Schallwellen, die sich zudem schnell und einfach über verschiedene Winkel zwischen den Plättchen verändern ließ. Dazu sendete an einer Stelle ein Lautsprecher Schallwellen in das Metamaterial. Rund um den Prototyp angeordnete Mikrofone zeichneten die mehr oder weniger stark umgelenkten Schallwellen auf. Die Messungen bestätigten, dass sich der Schall über einen breiten hörbaren Frequenzbereich in verschiedene Wunschrichtungen leiten ließ.

Die Versuche zeigten allerdings noch einige Unterschiede zwischen der berechneten und der gemessenen Schallausbreitung. Dieses Problem könnte mit einer verbesserten Fertigungsmethode, wie etwa die der britischen Kollegen mit ihrem 3D-Drucker, behoben werden. Trotz der Abweichungen belegen die Versuche, dass akustische Metamaterialien das Potenzial haben, die Schallausbreitung mit größerer Variabilität zu beeinflussen, als es andere Werkstoffe bisher ermöglichten. Da die Dimensionen dieser Metamaterialien von wenigen Zentimetern bis zu einigen Metern veränderbar sind, sind Anwendungen in der Unterhaltungselektronik oder auch für das Geräuschdesign von Gebäuden vorstellbar.

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