Mausmakis: Lichtverschmutzung stört Fortpflanzungsrhythmus

Nächtliche Beleuchtung könnte die Männchen der kleinen Lemurenart trotz Winterpause paarungsbereit machen
Nächtliches Licht beeinflusst die Fortpflanzungsfähigkeit von Mausmakimännchen.
Nächtliches Licht beeinflusst die Fortpflanzungsfähigkeit von Mausmakimännchen.
© Thomas Le Tallec
Manchester (Großbritannien)/Paris (Frankreich) - Lichtverschmutzung beeinflusst die Fortpflanzungsfähigkeit Grauer Mausmakis. Denn das nächtliche Licht könnte dazu führen, dass die Männchen dieser Lemurenart im Winter bereit zur Paarung werden – obwohl sie das in dieser Jahreszeit normalerweise nicht sind. Das berichteten französische Biologen auf dem Jahrestreffen der „Society for Experimental Biology“ in Manchester. Ihre Beobachtungen bei den kleinen Primaten bestätigen die Befürchtung, dass künstliche Beleuchtung die Natur merklich verändern kann. Die Forscher gehen davon aus, dass es auch eine Wirkung auf die menschliche Fortpflanzungfähigkeit haben kann, wenn jemand dauerhaft dem Einfluss von künstlichem Licht ausgesetzt ist.

„Der natürliche Hell-Dunkel-Zyklus ermöglicht es lebenden Organismen, eine Vielfalt verhaltensbezogener und physiologischer Rhythmen zeitlich abzustimmen, einschließlich Wanderung, Anhäufen von Reserven, Winterruhe und Fortpflanzung“, erläuterte Thomas Le Tallec vom Muséum National d’Histoire Naturelle in Paris. „Nachtschicht und künstliche Beleuchtung gehen mit unregelmäßigem Menstruationszyklus, verringerter Fruchtbarkeit, Fehl- und Frühgeburten einher.“ Aus diesen Gründen stellen Le Tallec und seine Kollegen die Theorie auf, dass Lichtverschmutzung auch die menschliche Fortpflanzungsfähigkeit beeinträchtigt. „Das ist aber nur eine Hypothese“, so Le Tallec. „Wir brauchen schlüssige Studien.“

In ihrer Studie hatten die Forscher mit Grauen Mausmakis (Microcebus murinus) gearbeitet. Wenn die Tage im Winter deutlich kürzer sind und damit auch die tägliche Lichtmenge geringer ist, stellen die knapp 15 Zentimeter kleinen, nachtaktiven Primaten ihre Fortpflanzung ein. Die Männchen sind in dieser Jahreszeit daher sexuell inaktiv, was sich durch verringerte Testosteronwerte sowie verkleinerte Hoden äußert. Über einen Zeitraum von fünf Winterwochen setzten Le Tallec und seine Kollegen zwölf Mausmakimännchen in speziellen Klimakammern unterschiedlichen Lichtbedingungen aus. Die einen dienten als Kontrollgruppe und lebten bei natürlichem, der Jahreszeit entsprechendem nächtlichem Licht, das lediglich in etwa so hell war wie in einer Vollmondnacht. Bei der anderen Gruppe herrschten nachts Lichtverhältnisse, die Lichtverschmutzung simulierten, wie sie etwa durch Straßenbeleuchtung verursacht wird. Bereits nach zwei Wochen zeigte die Lichtverschmutzung Wirkung: Die Männchen dieser Gruppe hatten sowohl höhere Testosteronwerte als auch größere Hoden als die Artgenossen aus der Vergleichsgruppe.

Vermutlich spielt das lichtsensitive Hormon Melatonin eine Rolle für die Regulation des beobachteten Effekts, nehmen die Forscher an. Das Hormon wird im Dunkeln produziert und infolgedessen mindern die normalerweise höheren Melatoninwerte im Winter die sexuelle Aktivität bei Tieren, die – wie auch der Graue Mausmaki – in der dunklen und kalten Jahreszeit keinen Nachwuchs bekommen. Wird die nächtliche Dunkelheit durch Lichtverschmutzung unterbrochen, kann dieses System aber offensichtlich gestört werden. Tatsächlich fanden Le Tallec und seine Kollegen auch verringerte Melatoninwerte bei den Mausmakis der Lichtverschmutzungsgruppe. Außerdem veränderte das nächtliche Licht auch das Verhalten der nachtaktiven Primaten; sie wurden deutlich später und weniger aktiv.

In früheren Studien hatten die Forscher auch bei weiblichen Grauen Mausmakis beobachtet, dass nächtliche Beleuchtung einen Einfluss auf Tagesrhythmus und Fortpflanzungsfunktion ausübt. Insgesamt, so fassten die Forscher zusammen, legen die Ergebnisse nahe: „Lichtverschmutzung könnte den Erfolg saisonaler Reproduktion gefährden und Anpassungen an jahreszeitliche Umweltveränderungen beeinflussen.“ Mit speziellen Lichtquellen, die zum Beispiel nur in eine bestimmte Richtung leuchten, ließe sich die vom Menschen verursachte Lichtverschmutzung womöglich ein wenig abmildern. Auch sauberere Luft könnte einen Teil zur Eindämmung beitragen, so Le Tallec: „Durch das Reduzieren der Luftverschmutzung können wir die Streuung des Lichts in der Atmosphäre reduzieren und damit auch die Lichtverschmutzung.“

© Wissenschaft aktuell
Quelle: „Reproductive function out-of-season in male mouse lemurs exposed to light pollution”, Thomas Le Tallec et al.; SEB Annual Meeting 2014, A9.35


 

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