Lehrer mit Migrationshintergrund bringen Vorteile für Schüler und Schule

Wenn nicht nur Schüler einen Migrationshintergrund haben, sondern auch die Unterrichtenden, kann dies der Schule, den Schülern und der Arbeit mit den Eltern zugute kommen
Berlin - In deutschen Klassenzimmern gibt es nicht nur immer mehr Kinder mit Migrationshintergrund, sondern auch immer mehr Lehrkräfte, die selbst aus Zuwandererfamilien stammen. Wie sich der Migrationshintergrund auf die Biografie der Lehrenden und auf ihre Arbeit in der Schule auswirkt, hat jetzt eine Studie der Freien Universität Berlin untersucht. Das Forscherinnenteam hat hierzu Daten per Fragebogen von 200 Lehrenden erhoben und 60 biografische Interviews geführt. Das Fazit: Lehrer, die selbst Kinder von Einwanderern sind, haben oft ein vertrauensvolleres Verhältnis zu ihren Schülern, selbst wenn sie nicht aus demselben Land stammen wie sie. Da sie aus eigener Erfahrung das Problem der sprachlichen und kulturellen Differenz kennen, können sie damit bewusster umgehen und dies auch an ihre Schüler weitergeben.

Der überwiegende Teil der Lehrkräfte, die Viola Georgi und ihre Kolleginnen von der Freien Universität Berlin befragt haben, stammt aus Familien von Einwanderern, die im Zuge der Anwerbung von Arbeitsmigranten in den 50er und 60er Jahren oder in Folge der Familienzusammenführung nach Deutschland kamen. Doch auch wenn die Eltern oft selbst keine hohe formale Bildung besaßen, haben sie in den meisten der hier untersuchten Fälle ihren Kindern eine positive Haltung zur Bildung vermittelt, so dass die Kinder sich dann tatsächlich für den Lehrberuf entschieden haben.

Die meisten der befragten Lehrerinnen und Lehrer mit Migrationshintergrund gaben an, im Unterricht von den Schülern die Nutzung des Deutschen als Schulsprache zu fordern. Außerhalb des Unterrichts besteht allerdings durchaus Bereitschaft, die Herkunftssprachen in der Kommunikation mit Schülern und Schülerinnen sowie Eltern vielfältig einzusetzen. Die Fähigkeit zur Kommunikation in den Herkunftssprachen der Schüler und Schülerinnen werden von den Befragten als Ressource beschrieben - etwa als Möglichkeit zur Förderung, zur Anerkennung und als Grundlage für den Aufbau von Vertrauen.

In den Ergebnissen lässt sich tatsächlich ein besonderes Vertrauensverhältnis zwischen Lehrenden mit Migrationshintergrund und Schülerinnen und Schülern mit Migrationshintergrund ausmachen. Dieses Vertrauensverhältnis kann darauf basieren, dass Lehrer tatsächlich die gleichen migrationsspezifischen Erfahrungen gemacht haben oder dass dies von den Schülern einfach angenommen wird. Die befragten Lehrkräfte übernehmen der Studie zufolge auch häufig von Sozialarbeit und Psychologie geprägte Aufgaben in der Schule, insbesondere wenn es um Unterstützung von Schülerinnen und Schüler mit Migrationshintergrund in schwierigen Lebenssituationen geht. Dabei handelt es sich in der Regel um Hilfeleistungen bei Familienkonflikten, für die es kulturspezifischen Wissens und kulturspezifischer Sensibilität bedarf. Allerdings weisen die meisten Lehrer mit Migrationshintergrund die ausdrückliche Rolle eines Sozialarbeiters zurück. Lehrkräfte mit Migrationshintergrund können jedoch als sogenannte "change agents" in der Schule fungieren, wie die Ergebnisse der Studie nahelegen. Sie präsentieren sich in den Interviews häufig als kritische Beobachter und Ankläger von Rassismus. Hier gibt es eine Übereinstimmung mit Studien aus dem angelsächsischen Raum, deren Ergebnisse darauf hindeuten, dass "minority teachers" häufig aus der kritischen Wahrnehmung des Bildungssystems - basierend auf eigenen Erfahrungen - ein Gefühl besonderer Verantwortung und Anwaltschaft für Minderheiten entwickeln. "Die Ergebnisse zeigen", resümiert Viola Georgi, "dass Lehrende mit Migrationshintergrund ein Schlüssel zur interkulturellen Schulentwicklung in Deutschland sind, aber nicht zum Allheilmittel gesellschaftlicher Integration taugen. Neben der gezielten Werbung und Rekrutierung von Lehrenden mit Zuwanderungsbiographie bedarf es flankierender Maßnahmen, etwa in der Lehreraus- und Weiterbildung, die Schule und ihre Akteure angemessen auf den Umgang mit Heterogenität vorzubereiten."

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Quelle: "Lehrende mit Migrationshintergrund in Deutschland: Eine empirische Untersuchung zu Bildungsbiographien, professionellem Selbstverständnis und schulischer Integration", V. Georgi; Studie an der Freien Universität Berlin


 

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