Komplexe Moleküle aus Rotwein im Labor synthetisiert

Wirkstoffe können die Entwicklung neuer Medikamente erleichtern
New York (USA) - Analysen natürlicher Wirkstoffe scheitern oft daran, dass keine ausreichenden Mengen zur Verfügung stehen. US-amerikanischen Wissenschaftlern ist es jetzt erstmals gelungen, einige komplexe Substanzen aus Rotwein im Labor zu synthetisieren, um sie in der medizinischen Forschung einzusetzen. Bisher konnten diese Stoffe nur sehr aufwendig aus Weintrauben isoliert werden, wie die Fachzeitschrift "Nature" in ihrer aktuellsten Ausgabe (doi:10.1038/nature10197) berichtet. Der Fortschritt in der Organischen Chemie macht es unter anderem möglich, das Geheimnis des sogenannten Französischen Paradoxons zu untersuchen: Woran liegt es, dass die Franzosen relativ wenig Herzkrankheiten haben, obwohl sie viel Rotwein trinken und häufig fett essen?

Traditionell wird in einer chemischen Synthese ein einzelnes Molekül schrittweise verändert. Bis zum gewünschten Endprodukt sind dabei häufig viele Zwischenstationen notwendig. Dies wiederum macht die Synthese - zumindest im großen industriellen Maßstab - zu teuer. Chemiker suchen deshalb nach neuen kürzeren Wegen, die noch dazu umweltschonender sind. Ein Weg dorthin ist, die natürliche Reaktivität der Ausgangsstoffe oder Zwischensubstanzen besser zu nutzen. Genau diesen Weg sind Scott A. Snyder von der New Yorker Columbia University und seine Kollegen gegangen, obwohl die Substanzen aus den Weintrauben als sehr komplizierte Moleküle gelten.

Snyder beschäftigte sich schon länger mit Pflanzeninhaltsstoffen, denen ein natürlicher Schutz des menschlichen Organismus zugesprochen wird. Eine ganz entscheidende Schlüsselposition nimmt dabei Resveratrol ein. Verbindungen dieser Substanz werden in vielen Nutzpflanzen gefunden: Himbeeren, Maulbeeren, Pflaumen und Erdnüssen. Besonders hoch ist die Konzentration in der Haut roter Weintrauben. Die biologische Wirkung macht Resveratrol-Verbindungen auch zu Kandidaten für Medikamente gegen Arteriosklerose, Herzkrankheiten, Alzheimer, Arthritis, Autoimmunkrankheiten und Krebs.

Stoffe für die therapeutische Forschung

Da schon ein Molekül des Resveratrols sehr kompliziert aufgebaut ist, war die chemische Synthese von Komplexen aus mehreren dieser Moleküle im Labor bisher eine große Herausforderung. Aber genau diese Zusammenlagerungen werden benötigt, weil - wie in der Natur - nur die Komplexe tatsächlich wirken. Snyder hat nun eine relativ einfache Synthesestrategie entwickelt, durch die drei bis vier Resveratrol-Einheiten zusammengesetzt werden können. Dabei baut er zunächst einen Komplex zweier Resveratrol-Moleküle aus einem Grundgerüst, das chemisch wesentlich besser zu bearbeiten ist. Daraus entwickelt er die nächste Komplexitäts-Stufe und kann schließlich natürlicherweise vorkommende Moleküle aus drei oder vier Resveratrol-Untereinheiten gewinnen. Die künstliche Synthese erleichtert es in Zukunft, größere Mengen von biologisch aktiven Resveratrol-Verbindungen herzustellen und deren therapeutischen Eigenschaften genauer zu untersuchen.

Dabei könnte auch analysiert werden, ob und wie Rotwein wirkt. Denn ob das Trinken von Rotwein für den menschlichen Organismus tatsächlich gesund ist, wird in einigen Studien stark bezweifelt. Denn grundsätzlich ist Alkohol für den Organismus schädlich - nach aktuellen Untersuchungen sogar in relativ geringen Mengen.

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Quelle: "Regioselective reactions for programmable resveratrol oligomer synthesis", Scott A. Snyder et. al.; Nature; Vol. 474, S. 461-466; doi:10.1038/nature10197


 

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