Kohlmeisen: Fitte Weibchen legen schwach gefleckte Eier

„Kohlmeisen brüten in Höhlen. Daher ist es unwahrscheinlich, dass die Flecken auf den Schalen als Tarnung dienen, um die Eier vor Nesträubern zu verbergen“, sagt Rita Hargitai von der Eötvös Loránd University in Budapest. Außerdem habe diese Vogelart keine Brutparasiten, die fremde Eier in das Nest legen. Die braunen Tupfer können also auch nicht den Zweck haben, eigene Eier von Kuckuckseiern zu unterscheiden. Die Färbung wird durch Protoporphyrine verursacht, die in die Kalkschale eingelagert sind. Diese Pigmente entstehen im Stoffwechsel als Zwischenprodukte bei der Herstellung und dem Abbau von Häm – eisenhaltigen Porphyrin-Molekülen, die Bestandteile von Hämoglobin und Cytochromen sind. Protoporphyrine wirken als Oxidantien und können Zellbestandteile schädigen. Um das zu verhindern, ist ein ausreichendes Maß an Antioxidantien nötig.
Ein hoher Protoporphyrin-Spiegel im Blut könnte schädlich sein und müsste durch Antioxidantien kompensiert werden, die dann aber für andere Zwecke fehlen. Einer Hypothese zufolge lagern Weibchen, die zu wenig Antioxidantien produzieren, die braunen Pigmente vermehrt in der Eischale ab, um sie damit aus dem Körper zu entfernen. Schlechte Ernährung könnte beispielsweise zu einem Mangel an Antioxidantien führen, so dass verstärkt Protoporphyrine in die Schale der Eier gelangen. Dann wären intensiv gefleckte Eier ein Zeichen schlechter Gesundheit. Einige Forscher vermuten dagegen, dass die Einlagerung des braunen Pigments Bakterien daran hindern könnte, in die Schale einzudringen. Es gibt zudem Hinweise darauf, dass die Protoporphyrine auch die Festigkeit der Eischale erhöhen. Diese möglichen biologischen Funktionen schließen sich nicht gegenseitig aus, so die Autoren.
Hargitai und ihre Kollegen untersuchten, ob es einen Zusammenhang zwischen der Menge an Protoporphyrinen in den Eischalen eines Geleges und der Gesundheit des Weibchens gibt. In der Brutsaison dreier Jahre kontrollierten die Forscher 72 Gelege in Nistkästen. Weibchen, die besonders stark gefärbte Eier legten, hatten eine erhöhte Zahl an Lymphozyten im Blut und ihr gelbes Brustgefieder war vergleichsweise matt und blass. Die hohe Lymphozytenzahl könnte für einen starken Parasitenbefall sprechen. Das schwächer gefärbte Gefieder ist wahrscheinlich auf eine zu geringe Zufuhr an gelben Carotinoiden mit der Nahrung zurückzuführen.
Weibchen mit kleinen Gelegen lagerten mehr Protoporphyrine in den Eischalen ab als diejenigen, die mehr Eier legten. Möglicherweise bewirkt eine schlechte Ernährung, dass sowohl weniger Eier gelegt werden, als auch zu wenig Antioxidantien zur Verfügung stehen, so dass mehr Protoporphyrine in die Eischale ausgelagert werden müssen. Das würde auch erklären, warum die Dotter von intensiv braun gefleckten Eiern einen geringeren Gehalt an Lutein und Tocopherol aufwiesen – zwei Nahrungsinhaltsstoffe, die als Antioxidans wirken. Demnach spräche ein hoher Protoporphyringehalt in der Eischale nicht nur für eine schlechte Gesundheit des Weibchens, sondern auch für eine geringe Qualität der Eier.
Es ist nicht sicher, dass die Männchen die Färbung der Eier in der abgedunkelten Bruthöhle überhaupt wahrnehmen können. Falls sie es tun, müsste untersucht werden, ob ihr Verhalten beim Füttern der Jungen davon beeinflusst wird. Es wäre möglich, dass sie bei stark gefärbten Eiern die Küken weniger intensiv füttern, da diese Nachkommen wohl sowieso geringere Überlebenschancen haben.
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