Klimarisiko Erdgas: Methanleckagen bei Gasförderung größer als vermutet

Detaillierte Luftmassen-Analysen über amerikanischem Gasfeld offenbaren hohe Leckraten - Belastung des Klimas stärker als bei der Kohleverstromung
Förderturm auf einem Gasfeld in den USA
Förderturm auf einem Gasfeld in den USA
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Boulder (USA) - Erdgas gilt als relativ saubere Energiequelle. Denn hoch effiziente Gasturbinen produzieren bis zu 80 Prozent mehr Strom pro Tonne Kohlendioxid als Kohlekraftwerke. Doch diesen Vorteil der Erdgasverstromung, die als klimaschonende Brückentechnologie auf dem Weg zu den Erneuerbaren Energien gilt, stellen nun amerikanische Atmosphärenforscher grundlegend in Frage. In einer repräsentativen Messung über einem großen Gasfeld im Bundesstaat Utah ermittelten sie eine enorme Leckrate während des Förderbetriebs für das wichtige Treibhausgas Methan. Wie sie in der Fachzeitschrift „Geophysical Research Letters“ berichten, sind die Methanemissionen so hoch, dass die Erdgasnutzung sogar deutlich belastender für das Klima ist als die Verfeuerung aller anderen fossilen Brennstoffe, einschließlich Braunkohle.

„Wir erwarteten, dass Methananteile in der Atmosphäre nachweisbar sind, ahnten aber nicht, dass die Konzentrationen so hoch wären“, sagt Colm Sweeney vom Cooperative Institute for Research in Environmental Sciences (CIRES) an der University of Colorado. Für ihre Messungen, eine der ersten und genauesten ihrer Art, nutzte Sweeney zusammen mit Kollegen der National Oceanic and Atmospheric Administration (NOAA) eine anerkannte Methode, die auch für Emissionsmessungen von Kraftwerken angewendet wird. Mit einem Flugzeug, ausgestattet mit empfindlichen Gasdetektoren, verfolgten sie an zwölf Tagen definierte Luftmassen über dem Fördergebiet Uintah mit 4.800 Gas- und etwa 1.000 Ölförderanlagen, wo zunehmend auch das umstrittene Frackingverfahren eingesetzt wird. Zuerst ermittelten die Forscher die Methankonzentration einer Luftmasse vor dem Förderfeld und bestimmten den Anstieg sowohl direkt über und hinter diesem Gebiet. Als Referenztag wählten sie den 3. Februar 2012, an dem weder eine ungewöhnliche Wetterlage vorherrschte noch Unregelmäßigkeiten bei der Förderung auftraten.

Auf der Basis ihrer Messungen fanden Sweeney und Kollegen Gasmissionen durch Leckagen von 55 Tonnen Methan pro Stunde. Diese Menge entsprach sechs bis 11,7 Prozenz der Erdgasförderung des gesamten Gasfelds am Messtag. Bisherige Schätzung der Leckrate gingen von Anteilen knapp unter einem Prozent aus, basierten jedoch im Wesentlichen auf Angaben der Förderunternehmen selbst. Da Methan in der Atmosphäre 25-fach stärker zur Erderwärmung beiträgt als Kohlendioxid, reicht schon eine Leckrate von etwa drei Prozent aus, um den Klimavorteil gegenüber der Kohleverstromung vollständig aufzuheben. Jede höhere Leckrate entlarvt Erdgas dagegen als eine kaum vertretbare fossile Energiequelle, wenn man es mit dem Klimaschutz ernst nimmt.

Schon bei früheren Messungen fanden NOAA-Forscher hohe Methanemissionen über Gasfeldern von etwa vier Prozent der Fördermenge. Doch von den extrem hohen Werten über dem Uintah-Feld waren selbst sie überrascht. Da sowohl die NOAA als auch die University of Colorado einen untadeligen Ruf in der Wissenschaftsgemeinde genießen und kaum als unsachliche Klimaaktivisten gelten, werden die jüngsten Messungen für viel Aufregung unter den Förderunternehmen und politischen Entscheidern sorgen. Es ist nicht ausgeschlossen, dass das Uintah-Feld, das immerhin ein Prozent der gesamten US-Gasförderung liefert, als bedauerlicher Einzelfall dargestellt wird. Daher sind nun weitere Messungen mit der bewährten Luftmassen-Methode über anderen Förderregionen vorgesehen und notwendig.

In Deutschland verfeuertes Erdgas stammt größtenteils aus Russland und wird noch konventionell ohne Einsatz der Fracking-Technologie gewonnen. Doch an verlässlichen Daten über die Methanleckraten russischer Gasfelder mangelt es ebenso. Diese Studie belegt jedoch, dass Angaben der Förderunternehmen mit allzu niedrigen, meist nur geschätzten Leckraten zumindest mit Skepsis behandelt werden müssten.

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