Kleine Flussmündungen halten Mikroplastik zurück
Viele Prozesse bestimmen die Strömungsdynamik in Flussmündungen, die Tong Bo von der Woods Hole Oceanographic Institution und sein Team untersucht haben. So trifft in Mündungsgebieten das Süßwasser eines Flusses auf das Salzwasser des Meeres, Brackwasser heißt die Mischung. Der Wechsel der Gezeiten lässt das Wasser bei Ebbe gen Meer und bei Flut viele Kilometer ins Landesinnere strömen. Dieses Wechselspiel wird von vielen Faktoren wie dem Verlauf der Flüsse, deren Tiefe und Breite oder auch dem lokalen Gezeitenhub beeinflusst. Auf der Wasseroberfläche treibende Partikel – egal ob ein Blatt oder ein Plastikteil – werden dadurch mehr oder weniger schnell ins Meer transportiert.
Tong Bo und seine Kolleginnen und Kollegen simulierten im Computer nun vergleichend das Strömungsverhalten in einer kleinen und einer großen Flussmündung. Dazu wählten sie den relativ kleinen North River, der in Neuengland in den Atlantik mündet, und den großen Mündungstrichter des Delaware südlich von Atlantic City. In beiden Computermodellen beachteten die Forschenden zahlreiche Parameter wie Topographie, Gezeiten, Salzgehalt und Strömungsgeschwindigkeit, um das Verhalten von treibenden Partikeln an der Wasseroberfläche zu analysieren. Dabei zeigte sich ein grundlegender Unterschied zwischen den beiden Mündungssystemen.
In der nur 50 bis 200 Meter breiten Mündung des North Rivers bildete bei Flut eine stabile Strömung landeinwärts aus. An der Strömungsfront wurden damit auch treibende Partikel landeinwärts transportiert. Bei Ebbe wechselte die Strömungsrichtung. Treibende Partikel bildeten wegen der geringeren Strömungsgeschwindigkeit keine klare Front mehr, sondern verteilten sich bis an die Flussufer. So konzentrierten sich im Wechsel der Gezeiten mittreibende Partikel im Mündungsgebiet.
Dieses Verhalten zeigte die Strömung in der größeren Mündung des Delaware dagegen nicht. Hier wurden durch die größeren Wassermengen die mittreibenden Partikel effizienter in den Atlantik transportiert. Eine Konzentration im Mündungsgebiet ließ sich in den Simulationen nicht beobachten. Einen Grund für das unterschiedliche Verhalten sehen die Forschenden in den strömenden Wassermengen. Je mehr Wasser ein Fluss führt, desto effizienter werden Partikel ins Meer transportiert und nicht im Mündungsgebiet zurückgehalten.
Auf der Basis dieser Simulationen könnten nun Feldmessungen durchgeführt werden, um das theoretische Modell zu überprüfen. Sollte es bestätigt werden, ließe sich der Materialtransport je nach Flussmündung exakter bestimmen oder gar vorhersagen. Mit diesen Daten ließen sich beispielsweise Säuberungsmaßnahmen in Mündungsregionen an die Größe eines Flusses anpassen und so gezielter durchführen. © Wissenschaft aktuell