Kleine Augenflecke lenken den Feind ab

In Experimenten mit tropischen Faltern attackierten Gottesanbeterinnen bevorzugt die auffällige Färbung der Flügel, so dass sich die Schmetterlinge nach dem ersten Angriff oft noch retten konnten
Nur in der Regenzeit bildet die tropische Schmetterlingsart Bicyclus anynana auffällige Augenflecke.
Nur in der Regenzeit bildet die tropische Schmetterlingsart Bicyclus anynana auffällige Augenflecke.
© Kathleen L. Prudic et al.; DOI: 10.1098/rspb.2014.1531
Corvallis (USA) - Große paarige Augenflecke auf den Flügeln verhelfen bekanntlich manchen Schmetterlingen zur Flucht, indem sie den Fressfeind abschrecken. Dagegen haben kleinere Augenflecke am Rand des Hinterflügels die Funktion, den Angriff eines Räubers auf den Flügel zu lenken und so den übrigen Körper zu schützen. Amerikanische Biologen konnten jetzt erstmals nachweisen, dass dies tatsächlich die biologische Fitness erhöht. Im Vergleich zu anders gefärbten Faltern kamen Schmetterlinge mit randständigen Augenflecken nach Angriffen von Gottesanbeterinnen häufiger lebend davon – wenn auch mit beschädigten Flügeln: Sie lebten insgesamt länger und vermehrten sich stärker, berichten die Forscher im Fachblatt „Proceedings of the Royal Society B”. Auch bei anderen Tieren können augenähnliche Farbmuster entweder abschreckend oder aber ablenkend wirken. Eine weitere mögliche Funktion besteht in einer verstärkten sexuellen Attraktion bei der Partnerwahl.

„Der richtige Typ von Augenflecken zur richtigen Jahreszeit sorgte dafür, dass die Schmetterlinge länger lebten und mehr Nachkommen hatten“, sagt Kathleen Prudic von der Oregon State University in Corvallis. Mit ihren Kollegen untersuchte sie die Bedeutung randständiger Augenflecken am Beispiel des Falters Bicyclus anynana. Diese tropische Schmetterlingsart bildet im Lauf eines Jahres zwei unterschiedliche Muster solcher farbiger Flächen auf den Hinterflügeln. Die Generationen, die in der Regenzeit heranwachsen, haben auffällige, leuchtende Farbflecken. Bei den Faltern, die sich in der kühleren Trockenzeit entwickeln, sind die Flecken unscheinbar und matt. Insgesamt produziert diese Schmetterlingsart etwa fünf Generationen pro Jahr. In der Trockenzeit werden die Falter hauptsächlich von Vögeln bedroht. Die weniger auffällige Flügelfärbung dient dann als schützende Tarnung. Aber in der feuchten Jahreszeit zählen Gottesanbeterinnen zu ihren wichtigsten Fressfeinden.

In Laborexperimenten brachten die Forscher unterschiedlich gemusterte Schmetterlinge mit einer Fangschrecke, der Großen Chinesen-Mantis (Tenodera sinensis), zusammen. Die Falter mit der auffälligen Färbung wurden zwar von den Fangschrecken schneller entdeckt. Aber im Vergleich zu den unscheinbareren Schmetterlingen überlebten davon mehr als doppelt so viel die Attacken. Die Angriffe des räuberischen Insekts richteten sich im einen Fall überwiegend gegen die Flügel, im anderen Fall gegen lebenswichtige Körperteile wie Kopf und Rumpf. Weitere Experimente ergaben, dass Schmetterlinge mit deutlichen Augenflecken bei Bedrohung durch Fangschrecken insgesamt länger lebten, mehr Eier ablegten und eine größere Zahl an Nachkommen hatten. Schließlich transplantierten die Biologen Flügelteile mit auffälligen Augenflecken auf Flügel von Faltern mit unscheinbaren Flecken. Das Verhalten der Fangschrecken und die Überlebensrate der Schmetterlinge bestätigten die täuschende Funktion und den biologischen Nutzen der Flügelmusterung.

Damit ließe sich nach Ansicht der Autoren erklären, wie sich im Lauf der Evolution unter dem Selektionsdruck der im Jahresverlauf wechselnden Bedrohung zwei Schmetterlingsformen unterschiedlicher Färbung entwickelt haben. In der Trockenzeit begünstigt die Selektion durch die Vögel die tarnfarbene Variante. In der Regenzeit führt die Bedrohung durch Fangschrecken zu den Formen mit auffälligen Augenflecken.

© Wissenschaft aktuell


 

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