Klarheit für Allergiker
„Unterschiedliche Teile eines Lebensmittels können unterschiedlich allergieauslösend sein“, berichtete Sami Bahna, Allergologe von der Louisiana State University und ehemaliger Präsident des ACAAI. „Zum Beispiel kann jemand mit einer Eier-Allergie das Eigelb vertragen, das Eiweiß aber nicht. Und jemand mit einer Frucht-Allergie könnte allergisch auf die Samen reagieren, nicht aber auf das Fruchtfleisch.“ Das vollständige Meiden eines Nahrungsmittels ist demnach nicht unbedingt notwendig. Außerdem wies Bahna darauf hin, dass es meist Alternativen gibt: „Nur weil jemand allergisch gegen Kuhmilch ist, bedeutet das nicht, dass er allergisch gegen Milch von allen anderen Tieren ist.“ Zu wissen, dass es Ersatz gibt, der ohne Nebenwirkungen verzehrt werden kann, sei insbesondere deshalb wichtig, damit es nicht zu Mangelerscheinungen kommt.
Des Weiteren gab er zu bedenken, dass manche Lebensmittelallergien oder -unverträglichkeiten Hinweise auf andere geben können – sogenannte Kreuzreaktionen. So kommt es beispielsweise häufig vor, dass eine Allergie gegen Äpfel mit einer Allergie gegen andere Früchte aus der Gruppe der Rosaceen einhergeht, etwa Mandeln, Pfirsiche, Aprikosen oder Pflaumen und Erdbeeren. Gleiches gilt für Krustentiere oder Weichtiere. Bahna betont aber, dass Allergien in höchstem Maße individuell sind: „Es ist kein Einheitsgrößen-Ansatz. Allergien manifestieren sich bei jedem anders.“ Entsprechende Spezialisten könnten die exakten Nahrungsmittel identifizieren, die man meiden sollte, und Ersatzspeisen benennen.
Weitere Beiträge auf der ACAAI-Konferenz drehten sich um weitere Aspekte rund um Allergien, etwa auch um Mythen, Missverständnisse und falsche Vorstellungen. „Viele frühere medizinische Annahmen haben sich mittlerweile als falsch erwiesen, weil die Forschung weiter fortgeschritten ist“, erläuterte David Stukus die Hintergründe. Unglücklicherweise kursierten manche dieser Annahmen immer noch im Internet, wo sich viele in Sachen Gesundheit informieren. Der Allergologe aus Columbus nannte einige dieser Irrglauben und erklärte, warum sie nicht richtig sind.
Darunter etwa die Behauptung, allergisch gegen künstliche Farbstoffe zu sein. Es gebe keinen eindeutigen wissenschaftlichen Nachweis für einen Zusammenhang zwischen künstlichen Farbstoffen und Allergien. Ergebnisse, laut denen bestimmte künstliche Farbstoffe bei Kindern beispielsweise Nesselsucht oder Asthma auslösen könnten, seien umstritten. Auch die Empfehlung, dass man Säuglingen unter einem Jahr keine Lebensmittel geben sollte, die als hochgradig allergieauslösend gelten, ist ihm zufolge nicht haltbar. Neue Ergebnisse legten vielmehr nahe, dass der frühe Kontakt mit solchen Lebensmitteln die Toleranz sogar fördere. Kritisch sieht er ebenfalls die Hoffnung, dass man sich trotz einer Katzen- oder Hunde-Allergie eine sogenannte hypoallergene Rasse zulegen könne. Tatsächlich hypoallergene Katzen oder Hunde, die weniger oder gar keine Allergene absondern, gebe es schlicht nicht. Manche Rassen seien lediglich für manche Allergiker eher zu ertragen als andere.
Während Stukus Entwarnung gab, dass man sich mit den heutigen Impfstoffen trotz einer Allergie gegen Eier bedenkenlos impfen lassen kann, gilt dies nicht bei einer Allergie gegen Gelatine, wie eine Kollegin darlegte. „Gelatine wird in der Grippeimpfung ebenso wie in anderen Impfstoffen als Stabilisator verwendet“, erläuterte Stephanie Albin, Allergologin aus New York. „Weil diese im Impfstoff ist, könnten diejenigen mit einer Allergie gegen Gelatine, allergische Reaktionen zeigen, etwa Ausschläge, Niesen oder Atemprobleme.“ Allerdings kommt eine echte Gelatine-Allergie äußerst selten vor.
Deutlich häufiger ist eine Allergie gegen Insektengifte und viele Betroffene sind angespannt, da sie in der ständigen Angst leben, womöglich gestochen zu werden. Diese Stressbelastung kann mitunter sogar so starke Ausmaße annehmen, dass es zu Depressionen kommt. Eine Hyposensibilisierung kann bei dieser Form der Allergie nicht nur helfen, möglicherweise sogar lebensbedrohliche allergische Reaktionen zu verhindern. Darüber hinaus mindert sie auch Anzeichen von Anspannung und Depression. Dies zeige eine aktuelle Studie, berichtete der Allergologe Timothy Craig vom Penn State Milton S. Hershey Medical Center. Letztlich empfiehlt sich in Sachen Allergien grundsätzlich der Gang zum Experten. „Wenn Sie denken, sie könnten eine Allergie haben, sollten sie einen Allergologen für sachgerechte Einschätzung, Tests, Diagnose und Behandlung aufsuchen“, rät auch Stukus. „Fehldiagnosen und unpassende Behandlung können gefährlich sein.“
„Allergy Myths and Misperceptions”, Bryan L. Martin, David R. Stukus; Annual Scientific Meeting of the American College of Allergy, Asthma and Immunology, Workshop
„A Patient With Gelatin Allergy and Anaphylaxis to the Influenza Vaccine”, S. Albin, A. Nowak-Wegrzyn; Annual Scientific Meeting of the American College of Allergy, Asthma and Immunology, Poster Session
„Anxiety and Depression in Hymenoptera Venom Allergy Patients”, T. Craig et al.; Annual Scientific Meeting of the American College of Allergy, Asthma and Immunology, Session A – Adverse Food and Drug Reactions, Insect Reactions, Anaphylaxis