Kein Nuckel-Pheromon bei Mäusen

Das Saugen an der Mutterbrust wird nicht automatisch durch einen definierten Signalstoff ausgelöst, sondern durch erlernten mütterlichen Duft
Mäusebabys benötigen mütterliche Duftstoffe, um Milch saugen zu können.
Mäusebabys benötigen mütterliche Duftstoffe, um Milch saugen zu können.
© Seweryn Olkowicz / Creative Commons (CC BY-SA 3.0), http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/deed.en
La Jolla (USA) - Für Säugetiere ist es überlebenswichtig, sofort nach der Geburt die mütterliche Brust zu finden und Milch zu saugen. Was dieses angeborene Verhalten bei Mäusen auslöst, haben amerikanische Biologen jetzt herausgefunden. Demnach reagieren die Neugeborenen nicht, wie zunächst vermutet, auf einen einzelnen Geruchsstoff in der Muttermilch. Als Auslöser wirkt stattdessen eine Mixtur mehrerer Bestandteile des Fruchtwassers. Die Jungen lernen bei der Geburt, diesen mütterlichen Geruch wahrzunehmen und dann an den Zitzen wiederzuerkennen, schreiben die Forscher im Fachblatt „Current Biology“. Wie menschliche Babys das Saugverhalten erstmals praktizieren, ist noch nicht bekannt. Sie könnten dazu einen ähnlichen, aber auch einen ganz anderen Mechanismus nutzen.

„Überraschenderweise fanden wir bei den Mäusen keinen Hinweis auf ein klassisches Pheromon. Die Neugeborenen ‚erlernen’ vielmehr die individuelle Duftmischung ihrer Mutter. Wahrscheinlich hat jede Mutter eine andere Geruchssignatur“, sagt Lisa Stowers vom Scripps Research Institute in La Jolla. Ein Pheromon ist ein Geruchsstoff, der ein angeborenes, stereotypes Verhalten in Gang setzt. Einen solchen Signalstoff, der den Saugreflex auslöst, haben andere Forscher erst kürzlich in der Muttermilch von Kaninchen identifiziert. Stowers und ihre Kollegen konnten aber zeigen, dass bei Mäusen weder Bestandteile der Milch noch des Speichels für das erste Saugen an der Brust wichtig sind. Stattdessen war der Geruch des Fruchtwassers für das Saugverhalten unentbehrlich. Das Fruchtwasser umgibt den Embryo während der gesamten Schwangerschaft und liefert nach der Geburt das erste Geruchssignal für die Jungen. Die Suche nach einem Pheromon im Fruchtwasser verlief jedoch negativ. Als die Forscher Fruchtwasser der Mutter mit künstlichen Duftstoffen versetzten, verlor es seine Wirkung, was ebenfalls gegen die Existenz eines typischen Pheromons spricht.

Es stellte sich heraus, dass eine Mischung aus mehreren Substanzen, die nicht bei jeder Maus dieselben sein müssen, die Funktion eines Nuckel-Pheromons übernimmt. Bei den Kaninchen war die Entwicklung eines solchen Pheromons vielleicht wegen des ungewöhnlichen Verhaltens der Mütter dieser Tierart von Vorteil: Sie lassen ihre Jungen häufig allein und haben nur kurzzeitig engen Kontakt mit ihnen. In diesem Fall könnte ein schnell wirksames Pheromon effektiver sein als das Erlernen einer mütterlichen Duftmischung. Unterschiedliche Arten von Säugetieren haben offenbar verschiedene Strategien entwickelt, um den lebenswichtigen Saugreflex der Neugeborenen erstmals auszulösen.

Obwohl das Saugverhalten selbst angeboren ist, muss bei Mäusen die erste Ausübung unmittelbar nach der Geburt noch erlernt werden. Erst durch die Aktivität der Riechsinneszellen in der Nase werden also noch fehlende Nervenverbindungen im Gehirn erzeugt, die dann Grundlage des Saugreflexes sind. Das wollen die Forscher nun genauer untersuchen. Es sei möglich, dass auch menschliche Babys – ähnlich wie Mäuse – lernen müssen, auf mütterliche Geruchssignaturen zu reagieren, um die Brustwarzen zu erkennen und saugen zu können. Man könne aber auch nicht ausschließen, so die Autoren, dass Menschenbabys einen völlig anderen Mechanismus nutzen als Mäuse oder Kaninchen.

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