Keimfreier Darm verstärkt Fettabbau: Therapieansatz gegen Fettleibigkeit

Werden bei Mäusen sämtliche Darmkeime durch Antibiotika abgetötet, entwickeln sich im weißen Fettgewebe zusätzlich fettabbauende Zellen
Weißes Fettgewebe (unten) dient als Fettdepot, die kleineren Zellen des braunen Fettgewebes (oben) bauen Fett ab, um Wärme zu erzeugen.
Weißes Fettgewebe (unten) dient als Fettdepot, die kleineren Zellen des braunen Fettgewebes (oben) bauen Fett ab, um Wärme zu erzeugen.
© Shutterstock, Bild 267094178
Genf (Schweiz) - Fettleibigkeit und Diabetes hängen eng mit einer gestörten Darmflora zusammen. Deshalb zielen neue Therapieansätze darauf ab, das Spektrum der Bakterienarten im Darm zu verändern. Dass eine solche Behandlung prinzipiell erfolgsversprechend ist, haben schweizerische Mediziner jetzt in Tierversuchen auf drastische Weise demonstriert: Durch Antibiotika eliminierten sie sämtliche Bakterien im Darm von Mäusen. Bei gesunden und fettleibigen Tieren sank daraufhin die Menge an Körperfett, indem fettabbauende Zellen entstanden. Zudem entwickelten die Tiere auch bei kalorienreicher Ernährung keine Anzeichen von Diabetes, berichten die Forscher im Fachjournal „Nature Medicine”. Eine derartige Radikalkur zur Therapie von Fettleibigkeit ließe sich beim Menschen in dieser Form allerdings nicht einsetzen, da mit starken Nebenwirkungen und der Entwicklung resistenter Bakterien zu rechnen wäre.

„Wir suchen nach alternativen Wegen, um die Darmflora zu verändern“, sagt Teamleiter Mirko Trajkovski von der Universität Genf. „Eine solche Therapie müsste auf spezielle Keimarten abzielen, ohne die gesamte Darmflora zu zerstören.“ Er und seine Kollegen fütterten drei Gruppen von Mäusen mit einer fettreichen Nahrung: normale Tiere, keimfrei aufgewachsene Tiere ohne Darmbakterien und normale Mäuse, deren Darmkeime durch eine aggressive Behandlung mit Antibiotika vollständig abgetötet worden waren. Die normalen Mäuse wurden fettleibig und erkrankten an Diabetes. Die beiden anderen Gruppen blieben schlank und behielten einen gesunden Zuckerstoffwechsel. In ihrem weißen Fettgewebe unter der Haut und im Bauchbereich hatte sich sogenanntes beiges Fett entwickelt – Fettzellen, die Fett abbauen.

Säugetiere verfügen über zwei Arten von Fettgewebe. Während das weiße Fettgewebe der Fettspeicherung dient, wird im braunen Fettgewebe Fett abgebaut, um Wärme zu erzeugen. Von beigem Fett spricht man, wenn innerhalb von weißem Fettgewebe Zellen entstehen, die Eigenschaften von braunem Fettgewebe haben. Diese Umwandlung kann durch Kälte oder starke körperliche Aktivität ausgelöst werden. Ein weiterer Auslöser ist offenbar das Fehlen bestimmter Darmbakterien. Im Fall der antibiotisch behandelten Mäuse war die Veränderung des Fettgewebes nach zehn Tagen erkennbar, verstärkte sich bis 40 Tage nach Beginn der Behandlung und hielt mindestens 60 Tage an. Wurden den Tieren Darmbakterien in den zuvor keimfreien Darm übertragen, machte das die Entwicklung von beigen Fettzellen wieder rückgängig.

Welche Bakterienarten aus dem Darm eliminiert werden müssen, um den Fettabbau zu verstärken, ist noch nicht bekannt. Um das herauszufinden, wollen die Forscher durch gezielt wirkende Antibiotika oder Bakteriophagen nur bestimmte Gruppen von Darmbakterien abtöten - mit dem Ziel, dadurch den Fettstoffwechsel von Fettleibigen zu normalisieren. Auch die Übertragung von Keimen aus dem Darm schlanker Menschen in den Darm Fettleibiger soll als mögliche Form einer Therapie geprüft werden.

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