Kannibalismus nach dem Sex: Extra-Mahlzeit steigert Zahl der Nachkommen

Verhalten weiblicher Wolfspinnen nach der Paarung ist nicht starr, sondern an die körperliche Fitness des Männchens angepasst
Augenpartie einer Wolfspinne der Gattung Hogna
Augenpartie einer Wolfspinne der Gattung Hogna
© Opoterser / Creative Commons (CC BY 3.0), http://creativecommons.org/licenses/by/3.0/deed.de
Madrid (Spanien) - Wolfspinnen sind Kannibalen. Oft verspeisen die Weibchen das Männchen nach der Paarung. Ob sie das tun oder nicht, hängt von körperlichen Merkmalen des potenziellen Opfers ab, berichten jetzt spanische Forscher: Kleine und ältere Männchen werden häufiger attackiert und gefressen. Die Extraportion an kalorienreicher Nahrung bewirkt offenbar, dass sich die Zahl an Nachkommen stark erhöht. Damit steigern die Weibchen ihre biologische Fitness. Das sei schließlich der Grund dafür, dass sich diese Form des Kannibalismus’ im Lauf der Evolution entwickelt habe, schreiben die Biologen im Fachblatt „Behavioural Processes”.

„Beim sexuellen Kannibalismus fressen – meist weibliche – Individuen ihren Sexualpartner vor, während oder nach der Paarung“, erklären Carmen Fernández-Montraveta von der Universidad Autónoma de Madrid und ihre Kollegen. Die Forscher beobachteten das Sexualverhalten der europäischen Wolfspinne Hogna radiata, bei denen das Weibchen meist nur wenig größer ist als das Männchen. Nach etwa jedem vierten von 65 registrierten Paarungsakten tötete ein zuvor noch jungfräuliches Weibchen seinen Partner und verspeiste ihn vollständig. Wurde ein Weibchen bereits begattet, attackierte es weitere Freier sofort, wenn diese sich nur näherten. Leben oder Tod des Freiers hing aber nicht – wie bisher vermutet – von der Aggressivität der weiblichen Spinne ab.

Entscheidend für das Verhalten des sexuell unerfahrenen Weibchens waren zum einen der Größenunterschied und zum anderen das Alter des Männchens. Deutlich kleinere und ältere Männchen wurden häufiger zur Beute und trugen damit wahrscheinlich entscheidend dazu bei, dass aus der Paarung etwa doppelt so viele Nachkommen hervorgingen wie ohne das kannibalistische Mahl. Das Paarungsverhalten der Weibchen ist also nicht stereotyp, sondern daran ausgerichtet, ob sie ein Männchen eher als Sexualpartner oder als Beute sehen. Überwiegt die Aggression, kommt es gar nicht erst zur Paarung – die biologische Fitness sinkt. Dagegen werden bei geringer Aggressivität und ohne Kannibalismus zwar Nachkommen gezeugt, ihre Zahl bleibt aber gering.

Die Wolfspinne Hogna radiata lebt nur ein Jahr. Sie erlangt im Sommer die Geschlechtsreife. Die Weibchen paaren sich lediglich einmal. Das dauert etwa eine halbe Stunde. Nach dem Paarungsakt verhalten sich die Weibchen in 50 Prozent der beobachteten Fälle aggressiv gegen die Männchen, von denen dann jedes zweite gefressen wird. Die Jungen werden von der Mutter in einem Kokon auf dem Rücken getragen. Wenn sie selbstständig geworden sind, stirbt das Weibchen. Die Jungen überwintern.

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