Kammerjäger ausgetrickst: Für Schaben schmecken süße Köder bitter

„Meistens führen Mutationen zu einem Funktionsverlust. Aber in diesem Fall verursachte die Mutation den Erwerb einer neuen Funktion – die Aktivierung von Bitter-Rezeptoren durch Glukose“, sagt Coby Schal von der North Carolina State University in Raleigh. Sein Forscherteam untersuchte, auf welche Weise Schaben der Art Blattella germanica eine Abneigung gegen Glukose entwickeln können. Die Biologen identifizierten zunächst unterschiedliche Typen von Sinneszellen im Mundbereich der nicht mutierten Insekten. Einer dieser Typen spricht auf Glukose an, was die Nahrungsaufnahme anregt. Ein anderer Typ reagiert auf Bitterstoffe und signalisiert dem Hirn, die Nahrungszufuhr abzulehnen.
Bei den Schaben, die eine Abneigung gegen Glukose entwickelt hatten, lieferten die Messungen ein unerwartetes Ergebnis: Der Kontakt mit Glukose aktivierte die Bitterstoff-Sinneszellen und hemmte die Reaktion der Glukose-Sinneszellen. Das erklärt das Verhalten, glukosehaltige Nahrung zu meiden. „Wir wissen zwar nicht, ob Glukose für diese Schaben wirklich bitter schmeckt, aber wir wissen, dass Glukose dieselben Neuronen mit Bitter-Rezeptoren aktiviert wie Koffein oder andere Bitterstoffe“, sagt Schal. Die Ergebnisse zeigen, dass Schadinsekten nicht nur gegen ein eingesetztes Pestizid resistent werden können. Sie können auch relativ schnell ihren Geschmackssinn und damit ihr Fressverhalten so verändern, dass sie vor giftigen Ködern geschützt sind.
Die schützende Mutation ist für die Schaben allerdings auch mit Nachteilen verbunden: Zumindest im Labor – bei ausreichendem Angebot giftfreier Nahrung – wachsen sie langsamer als die normalen Tiere. Möglicherweise erschwert auch in einer natürlichen Umwelt ohne Giftköder der Verzicht auf Süßes eine ausreichende Ernährung, so dass das genetische Merkmal dann wieder verloren gehen kann. Das wollen die Forscher nun in Freilandexperimenten prüfen.