Kalenderblatt 28. April: Meuterei auf der Bounty vor 220 Jahren

1789 kam es zur legendären Meuterei auf der Bounty gegen Kapitän William Bligh: Der angeblich ungerechte und herrschsüchtige Bligh wird erst seit Kurzem in einem anderen Licht gesehen
Leutnant Bligh und seine Gefolgsleute beim Einsteigen in die Barkasse, gemalt von Robert Dodd, 1790
Leutnant Bligh und seine Gefolgsleute beim Einsteigen in die Barkasse, gemalt von Robert Dodd, 1790
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Die Bounty, ein dreimastiges britisches Segelschiff, brach 1787 unter Führung von William Bligh in die Südsee auf. Stecklinge des Brotfruchtbaums aus Tahiti zu den Antillen zu bringen, lautete der Auftrag. Auf der Rückreise kam es am 28. April 1789 zu einer Meuterei gegen Leutnant Bligh, die seitdem immer wieder das Thema von Romanen, Filmen und Sachbüchern ist. Doch erst in jüngster Zeit sieht man die Rollen der beiden Hauptpersonen dieses Dramas - William Bligh und Fletcher Christian - in einem anderen Licht, nachdem das Schiffslogbuch und private Aufzeichungen näher untersucht wurden. William Bligh war vielleicht keine begnadete Führungskraft, aber er war offenbar auch nicht der unmenschliche und herrschsüchtige Kapitän, als der er gern dargestellt wurde. Überdies erwies er sich nach seiner Aussetzung in einer kleinen Barkasse als meisterhafter Navigator.

Wie kam es zu den verhängnisvollen Ereignissen? Wegen des amerikanischen Unabhängigkeitskrieges waren die früheren preisgünstigen Getreidelieferungen aus den nordamerikanischen Kolonien Englands in die Karibik ausgefallen. Es kam zu mehreren Hungersnöten, denen insgesamt etwa 15.000 Menschen zum Opfer fielen. Betroffen waren auch die Sklaven, die auf den Zuckerrohrplantagen der britischen Kolonie Jamaika schufteten. Die Besitzer der Plantagen verlangten daher nach einem billigen und möglichst ständig verfügbaren Grundnahrungsmittel für ihre Sklaven. Hierfür kam die erst seit James Cooks erster Südseereise (1768-1771) bekannte Brotfrucht in Frage, die auf Tahiti wuchs. Statt jedoch die Stecklinge selbst zu beschaffen, erwirkten die Großgrundbesitzer die Finanzierung des Projekts durch die britische Krone. Die britische Admiralität beauftragte den damals 33-jährigen William Bligh, der auch unter Cook auf dessen dritter Südseereise als Navigator gedient und dabei Tahiti kennen gelernt hatte.

Das für die Expedition ausgerüstete Schiff, die HMS Bounty, erreichte Tahiti Ende Oktober 1788. Da der Brotfruchtbaum sich zu dieser Zeit in einer Ruhephase befand und nicht sofort Stecklinge gezogen werden konnten, blieben Besatzung und Schiff fünf Monate auf Tahiti. Die Mannschaft und auch Bligh genossen das Leben auf Tahiti, wo sie freundlich empfangen worden waren. Einige Seeleute gingen Beziehungen zu tahitischen Frauen ein. Allerdings verfiel auch die Disziplin der Mannschaft. Anfang 1789 versuchten drei Männer mit einem Beiboot zu desertieren. Sie wurden jedoch wieder eingefangen und für den Diebstahl des Bootes und die Desertion "nur" mit Peitschenhieben bestraft. Bligh hätte sie nach damaligem Recht für ihr Vergehen auch mit dem Galgen bestrafen können. Dies kann als ein Indiz dafür gewertet werden, dass Bligh durchaus kein gnadenloser Tyrann war.

Anfang April 1789 verließ die Bounty Tahiti mit Kurs auf die Meerenge zwischen Australien und Neuguinea. Die Stimmung dürfte nicht die allerbeste gewesen sein. Viele Männer hatten sich von ihren tahitischen Frauen trennen müssen. Außerdem befanden sich nun auch noch über 1000 Jungpflanzen des Brotfruchtbaums an Bord, was die Mannschaft in ihrer Bewegungsfreiheit noch mehr einengte. So kam es schließlich aus einem eigentlich geringfügigen Anlass zu einem Streit: Bei einem Zwischenstopp auf den Tongainseln stahlen Einheimische Ausrüstungsgegenstände der Bounty, wofür Bligh seinen Wachführer Fletcher Christian verantwortlich machte. Wenig später beschuldigte Bligh Christian auch noch, sich am Schiffsvorrat der Kokosnüsse vergriffen zu haben. Christian, der sich ungerecht behandelt fühlte, betrank sich anschließend und sprach gegenüber einigen Matrosen davon, mit einem Floß nach Tahiti zurückkehren zu wollen. Diese schienen ihm dann zugeredet zu haben, stattdessen Bligh in einem kleinen Beiboot auszusetzen. Im Morgengrauen des 28. April wurde Bligh festgenommen und von Christians Anhängern mit Waffen bedroht. Das Beiboot wurde gewassert. Doch das Boot war in einem so schlechten Zustand, dass man Bligh schließlich die Barkasse, das größte mitgeführte Beiboot, zugestand. Zur Überraschung von Christian wollten etwa zwanzig Männer Bligh begleiten. Das war knapp die Hälfte der gesamten Mannschaft und deutet ebenfalls darauf hin, dass Bligh nicht der Unmensch war, zu dem ihn die Nachwelt stilisierte.

Ausgerüstet nur mit Kompass, Log, einem Oktanten und seiner Taschenuhr navigierte Bligh das kleine Schiff in 41 Segeltagen über 5.800 Kilometer zur niederländischen Handelsniederlassung Kupang auf Timor im Osten des indonesischen Archipels. Von hier nahm Bligh die erste sich bietende Gelegenheit zur Rückreise wahr. Am 14. März 1790 erreichte Bligh das englische Portsmouth. Im Oktober 1790 wurde Bligh in dem Kriegsgerichtsprozess, der bei Verlust eines Schiffes stattfinden musste, freigesprochen. Doch die Epoche hatte für Herrscher und Befehlshaber nicht viel übrig. Ein Jahr zuvor war in Frankreich die Revolution ausgebrochen. Dem gemeinen Mann, dem einfachen Soldaten, dem einfachen Matrosen galten jetzt die Sympathien. Und so konnte sich die Legende vom unmenschlichen Kapitän Bligh und der sich heldenhaft gegen ihn erhebenden Mannschaft bilden. Erst in jüngster Zeit wurden das Schiffslogbuch sowie Blighs private Aufzeichnungen eingehender untersucht.

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Quelle: Eigener Bericht


 

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