Kängurus gehen auf fünf Beinen

Wenn sich die Beuteltiere beim Grasen nur langsam fortbewegen, übernimmt der Schwanz eine wesentliche Funktion
Das Rote Riesenkänguru nutzt beim Grasen seinen Schwanz als fünftes Bein.
Das Rote Riesenkänguru nutzt beim Grasen seinen Schwanz als fünftes Bein.
© Catharina Vendl
Burnaby (Kanada) - Zur schnellen Fortbewegung nutzen Kängurus allein ihre kräftigen Hinterbeine. Aber die meiste Zeit bewegen sie sich nur langsam, wobei sie zusätzlich die Vorderbeine und den Schwanz einsetzen. Jetzt haben kanadische Forscher durch Kraftmessungen nachgewiesen, dass der Schwanz beim Gehen nicht nur dem Abstützen und der Körperbalance dient. Vielmehr übernimmt er die Funktion eines fünften Beins, das genauso viel Antriebskraft für die Bewegung erzeugt wie Vorder- und Hinterbeine zusammen, berichten die Wissenschaftler im Fachblatt „Biology Letters”.

„Pro Kilogramm Körpergewicht leisten Kängurus mit ihrem Schwanz ebenso viel mechanische Arbeit wie Menschen bei gleichem Gehtempo mit einem ihrer Beine“, schreiben Shawn O’Connor von der Simon Fraser University in Burnaby und Kollegen. Bei schneller hüpfender Fortbewegung hilft der nach hinten ausgestreckte Schwanz lediglich, das Gleichgewicht zu halten. Doch wenn die Tiere beim Grasen nur langsam gehen, ändert sich seine Funktion: Er ist wesentlich am Gehprozess beteiligt. Das fanden die Forscher um O’Connor durch Messungen an fünf Roten Riesenkängurus (Macropus rufus) heraus. Sie brachten die Tiere dazu, eine kurze Strecke im Schritttempo auf einer Plattform zurückzulegen. Dabei ermittelten sie die Kräfte, die im Verlauf der Bewegung von den Beinen oder dem Schwanz auf die Plattform ausgeübt wurden.

Zusätzlich machten Videoaufnahmen die einzelnen Phasen des Gehens deutlich: Beim fünfbeinigen Gang bewegen sich zunächst beide Vorderbeine gleichzeitig nach vorn und setzen auf dem Boden auf. Dann schwingen bei aufgesetztem Schwanz die beiden Hinterbeine ebenfalls gleichzeitig vor. Anschließend wird der Schwanz weit nach vorn gebracht und dient dazu, sich vom Boden abzustoßen und den nächsten Schritt einzuleiten. Der Schwanz bremste die Bewegung kaum. Er erzeugte vielmehr den gleichen Anteil der Antriebskraft für das Vorwärtsgehen wie die vier echten Beine zusammen.

Warum hat sich bei den Kängurus der Schwanz zum fünften Bein entwickelt, bei anderen Vierbeinern dagegen nicht? Der naheliegende Grund dafür dürften die stark unterschiedlichen Längen von Vorder- und Hinterbeinen sein. Das normale vierbeinige Gehen würde nur sehr langsam möglich sein und wäre mit einer hohen Sturzgefahr verbunden, so die Autoren. Andererseits sind große Hinter- und kleine Vorderbeine für schnelles Davonhüpfen optimal geeignet. Die Vorfahren der heutigen großen Kängurus waren Baumbewohner, die ihren Schwanz einsetzten, um zu greifen und den Körper beim Springen und Klettern im Gleichgewicht zu halten. Mit dem Übergang zu einem Leben auf dem Boden erwies es sich im Lauf der Evolution als nützlich, dass der Schwanz eine neue Funktion übernahm.

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