Jetlag und Schichtarbeit stören auch die innere Uhr der Darmflora

Bakterien im Darm entwickeln einen eigenen Tag-Nacht-Rhythmus, angepasst an den ihres Wirts – Störungen erhöhen das Risiko für Stoffwechselkrankheiten
Auch die Aktivität von Darmbakterien folgt dem 24-Stunden-Rhythmus einer biologischen Uhr.
Auch die Aktivität von Darmbakterien folgt dem 24-Stunden-Rhythmus einer biologischen Uhr.
© Shutterstock, Bild 146312891
Rehovot (Israel) - Die innere Uhr steuert nicht nur zahlreiche Körperfunktionen in einem etwa 24-stündigen Rhythmus. Auch die Bakterien unserer Darmflora haben sich daran angepasst: Sie verändern ihre Vermehrung und Stoffwechselaktivität im Tagesverlauf, berichten israelische Forscher im Fachblatt „Cell“. In Experimenten mit Mäusen stellten sie fest, dass die Tageszeit der Nahrungsaufnahme als entscheidendes Zeitgebersignal für den normalen Aktivitätsrhythmus der Darmbakterien wirkt. Dadurch reagieren die Mikroben indirekt auf den Tag-Nacht-Wechsel, obwohl sie keinen direkten Kontakt zur Außenwelt haben. Sowohl bei Mäusen als auch bei Menschen störte eine Zeitverschiebung die normale rhythmische Aktivität der Bakterien und erhöhte die Anfälligkeit für Übergewicht. Daher könnten Menschen, deren Gesundheit durch Schichtarbeit oder häufige Flugreisen gefährdet ist, von vorbeugenden Maßnahmen zum Schutz der Darmflora profitieren.

„Unsere Ergebnisse liefern eine Erklärung dafür, warum Menschen, die aufgrund von Schichtarbeit oder häufigem Jetlag unter einem chronisch gestörten Tag-Nacht-Rhythmus leiden, mit erhöhter Wahrscheinlichkeit an Fettleibigkeit und anderen Stoffwechselstörungen erkranken“, sagt Eran Elinav vom Weizmann Institute of Science in Rehovot. Sein Forscherteam analysierte zu unterschiedlichen Tageszeiten abgegebene Kotproben von Mäusen. Die Veränderung der Keimzahlen von 15 Prozent der Bakterienarten zeigte einen innerhalb von 24 Stunden regelmäßig zu- und abnehmenden Verlauf. Damit verbunden schwankten auch bestimmte Genaktivitäten der Gesamtheit aller Darmkeime, so dass sich je nach Tageszeit einige Abbauprozesse und die Freisetzung von Stoffwechselprodukten verstärkten oder verringerten.

Diese regelmäßige Rhythmus der Mikrobenaktivität war davon abhängig, dass die innere Uhr der Maus normal funktionierte. Bei genetisch veränderten Tieren mit defekter Tagesuhr ergaben sich nur zufällige Schwankungen. Die Darmflora reagierte insbesondere auf die Zeiten der Nahrungsaufnahme: Wurden die ansonsten nachtaktiven Tiere nur am Tag gefüttert, verschob sich der 24-Stunden-Rhythmus der Bakterien. Ein künstlich veränderter Hell-Dunkel-Wechsel störte die natürliche Aktivitätsschwankung der Mikroben. Dieser simulierte Jetlag begünstigte eine Gewichtszunahme bei fettreicher Nahrung und erhöhte das Diabetesrisiko.

Auch bei Menschen konnten die Forscher eine ähnliche Tagesrhythmik der Darmbakterien nachweisen. Bei zwei Versuchspersonen veränderte sich nach einem West-Ost-Flug mit Zeitverschiebung um acht Stunden die Zusammensetzung der Darmflora in den ersten Tagen nach der Landung. Innerhalb von zwei Wochen in der neuen Zeitzone normalisierte sich dann das Keimspektrum wieder. Die aufeinander abgestimmten Tagesrhythmen von Mensch und Bakterien könnten unter anderem die Vermehrung vom Krankheitserregern erschweren, die mit der Nahrung in den Darm gelangen, schreiben die Forscher. Um Menschen mit gestörtem Tag-Nacht-Rhythmus – wie Vielflieger und Schichtarbeiter – vor Gesundheitsschäden zu bewahren, sollte man versuchen, beispielsweise durch eine probiotische Behandlung das normale Artengleichgewicht im Darm zu erhalten.

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