Jesus als Konkurrent der römischen Kaiser?
Der so genannte Hebräerbrief ist von einem namentlich nicht bekannten Verfasser um das Jahr 100 nach Christus in hellenistischem Griechisch geschrieben worden. Christus wird hier mit mit einer ungewöhnlichen Formulierung bezeichnet, die im Deutschen mit "großer Erzpriester" wiedergegeben werden kann, entdeckte Jörg Rüpke, Professor für Vergleichende Religionswissenschaft an der Universität Erfurt. Es ist jedoch auch der römische Kaiser als römischer Oberpriester, der Pontifex maximus, der in griechischen Texten regelmäßig als "größter Erzpriester" angesprochen wird. Und gerade die Kaiser der neu an die Macht gekommenen Flavischen Dynastie (69-96 n. Chr.), Titus und Domitian, betonten im Unterschied zu ihren Vorgängern gerade diese religiöse Rolle, verbanden mit ihrem Oberpriesteramt demonstrativ moralische Ansprüche und Frömmigkeit, die auch noch ihre Nachfolger banden. Gegen diese Konkurrenz, die in neuer Weise Wohlstand und Glanz der Stadt Rom - man denke an den Neubau des Kolosseums - mit Frömmigkeit verband, stellt der Verfasser des Hebräerbriefes Christus heraus. Er zeichnet ihn als den besseren Oberpriester, der nicht nur im Tempel, sondern im Himmel vor Gottes Thron Dienst tut, und als Friedenskönig. Um der Gefahr eines Prozesses wegen Majestätsbeleidigung vorzubeugen, darf er jedoch nicht vom Friedenskaiser sprechen, sondern muss auf die vage Gestalt eines alttestamentlichen Friedenskönig, Melchisedek, zurückgreifen.