Jenaer Liederhandschrift aus dem 14. Jahrhundert nach Restaurierung im Internet

Die bedeutendste Sammlung mittelhochdeutscher Sangspruchdichtung aus dem mitteldeutschen Raum ist jetzt im Internet für jedermann zugänglich
Doppelseite aus der Jenaer Liederhandschrift
Doppelseite aus der Jenaer Liederhandschrift
© Marianne Schiller / ThULB
Jena - Die so genannte Jenaer Liederhandschrift ist jetzt nach ihrer Restaurierung vollständig und für alle Interessierten im Internet einzusehen - unter http://www.urmel-dl.de/content/main/misc/lieder.xml. Das kostbare Buch aus dem ersten Drittel des 14. Jahrhunderts enthält die bedeutendste Sammlung mittelhochdeutscher Sangspruchdichtung aus dem mitteldeutschen Raum und überdies in einem ungewöhnlichen Umfang Musiknotationen. Sowohl der Bucheinband als auch die Pergamentblätter waren restaurierungsbedürftig geworden. Daher musste man den Buchblock zerlegen, was Gelegenheit bot, die anschließend einzelnen vorliegenden Seiten berührungslos in einem Spezialscanner der Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek hochauflösend zu scannen und das Digitalisat ins Internet zu stellen.

"Die Jenaer Liederhandschrift kann von Größe und Schönheit her nur in einem großen geistlichen Skriptorium hergestellt worden sein", erklärt der Germanist Jens Haustein von der Universität Jena. "Das ist erstaunlich, da der Codex, von dessen einst vermutlich 147 Blättern 133 erhalten sind, auch weltliche Texte enthält." Die Handschrift gehört zu den fünf bedeutendsten mittelalterlichen Sangspruchsammlungen aus der Zeit zwischen 1270 und 1350 und wird in einem Atemzug mit dem Codex Manesse, der berühmtesten Handschrift dieser Art, genannt.

Die genaue Herkunft der Jenaer Liederhandschrift sei jedoch nicht geklärt, so Haustein. Bislang hatte man Wittenberg als Ursprungsort angenommen. Denn von dort kam "J" - wie die Jenaer Liederhandschrift mit ihrer Forschungssigle heißt - 1549 mit rund 1.500 Handschriften und Drucken aus der Bibliothek der sächsischen Kurfürsten Friedrich des Weisen (1463-1525) und Johann Friedrich I. (1503-1554) nach Jena. "Dialektforscher gehen aber inzwischen davon aus, dass der Hauptschreiber von westlich der Elbe kommen muss, wahrscheinlich aus dem niederdeutschen Sprachgebiet", erklärt Haustein. Die Noten hingegen seien für den deutschen Raum überhaupt ganz einmalig. Die Quadratnotation spreche eher für eine französische Herkunft.

Die Handschrift enthält Werke der Sangspruchdichter des 13. und frühen 14. Jahrhunderts. Der jüngste Dichter, dessen Werke hier Eingang fanden, war Heinrich von Meißen, der 1318 gestorben war. Darum muss die Entstehung der Handschrift auf mindestens das erste Drittel des 14. Jahrhunderts datiert werden. Ganz ungewöhnlich an der Handschrift ist, dass sie - anders als andere Sammlungen dieser Art - chronologisch und nach Textsorten geordnet ist. Wenn das kein Zufall ist, so heißt es in der germanistischen Forschung, dann hatte derjenige, der die Sammlung zusammenstellte, schon im 14. Jahrhundert ein Bewusstsein von der Geschichte der Sangsprüche.

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Quelle: Jenaer Liederhandschrift im Internet: http://www.urmel-dl.de/content/main/misc/lieder.xml


 

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