Inventur der Flüsse der Erde
„Flüsse reagieren auf vielen Faktoren wie den Klimawandel und menschliche Eingriffe unterschiedlich“, sagt Dongmei Feng von der University of Cincinnati. Diese Reaktionen analysierte sie gemeinsam mit ihrem Kollegen Colin Gleason von der University of Massachusetts in Amherst über Abermillionen Kilometer der Flussläufe von den Quellen bis zu den Mündungen. Verfügbare Satellitendaten aus dem Zeitraum zwischen 1984 und 2018 verknüpften die beiden Forschenden für ihre Strömungsanalyse mit ausgefeilten hydrologischen Modellen. Ein Vergleich mit den Messungen der relativ dünn gesäten, weltweit etwa 15.000 Pegelstationen zeigte eine gute Übereinstimmung.
Feng und Gleason erkannten in ihrer Studie zwei signifikante Trends im Strömungsverhalten der Flüsse. So gingen die Wassermengen nahe der Mündungen von fast der Hälfte der großen Ströme wie Nil, Ganges oder Amazonas zurück. Auch bei zehn Prozent der kleineren Flüsse nahm die Wassermenge ab. Dagegen strömte in 17 Prozent der Oberläufe kleinerer Flüsse deutlich mehr Wasser. Diese Zunahme ließ sich vor allem in der Nähe von Gebirgen nachweisen. Die Ursachen liegen in einer stärker ausgeprägten Schneeschmelze und intensiveren Niederschlägen in den Bergregionen, beispielsweise in den Alpen, dem Himalaya oder den Rocky Mountains.
Komplex sind auch die Folgen dieser Änderungen. Schwindende Wassermengen bedrohen entlang der großen Flüsse die Versorgung mit Trinkwasser, die Fischerei und den Ackerbau. Zudem kann bei steigendem Meeresspiegel leichter Salzwasser in die Mündungsbereich vordringen. Stärkere Strömungen in den Oberläufen kleinerer Flüsse gehen dagegen mit einem steigenden Risiko für Überflutungen einher. So müsste laut Feng und Gleason entlang dieser Flüsse heute mit 42 Prozent mehr „Jahrhunderthochwassern“ gerechnet werden als in den 1980er Jahren.
Flüsse transportieren mit ihrem Wasser auch Sedimente und Nährstoffe. Ändert sich das Strömungsverhalten, ist mit positiven wie auch negativen Folgen zu rechnen. So vergrößerten zunehmende Wassermengen beispielsweise im Oberlauf des Amazonas den Lebensraum von wandernden Fischarten. Reißen die Wassermengen jedoch mehr Sand und Geröll mit sich, lagern sich mehr Sedimente etwa an Staumauern ab. Das gefährdet den Betrieb von Wasserkraftwerken und kann deren Stromausbeute mindern. Feng und Gleason hoffen daher, dass ihre Analyse der Flusströmungen in Zukunft zu einer besseren Planung der Infrastruktur vom schützenden Deich bis zum Kraftwerk führen wird.