Innovative Darreichungsform verlängert Wirkungsdauer von Medikamenten

Wirkstoffkapsel bleibt wochenlang im Magen und setzt dort ihre Inhaltsstoffe frei – Einsatz zur Bekämpfung von Malaria geplant
Das entfaltete Innere der Kapsel enthält das in einem Polymer eingeschlossene Medikament.
Das entfaltete Innere der Kapsel enthält das in einem Polymer eingeschlossene Medikament.
© Bellinger et al., Science Translational Medicine (2016)
Cambridge (USA) - Es ist ein generelles Problem, wenn Ärzte ein Medikament verschreiben: Selbst die beste Arznei wirkt nicht, wenn der Patient sie nicht nach Vorschrift einnimmt. Statt eine Pille über einen längeren Zeitraum täglich oder mehrmals täglich schlucken zu müssen, wäre es von großem Vorteil für den Erfolg der Behandlung, die Einnahme auf ein- oder zweimal pro Monat beschränken zu können. Jetzt hat ein interdisziplinäres Team aus amerikanischen Medizinern, Chemikern und Biotechnikern eine Methode entwickelt, die diesem Ziel einen großen Schritt näherkommt. Sie ermöglicht die Einnahme einer Medikamentenkapsel, die mindestens zwei Wochen lang im Magen verbleibt und dabei ihren Wirkstoff abgibt. Insbesondere könnte diese Technik eingesetzt werden, um einen entscheidenden Fortschritt bei der Bekämpfung der Malaria zu erreichen, berichten die Forscher im Fachblatt „Science Translational Medicine“. Mit der neuen Methode steigen die Erfolgsaussichten dafür, ausreichend viele Menschen in Malariagebieten mit Medikamenten zu versorgen, die langfristig das Infektionsrisiko senken können.

„Wir wollen es den Menschen so einfach wie möglich machen, ihre Medikamente ohne Unterbrechung über einen langen Zeitraum einzunehmen“, sagt Giovanni Traverso vom Massachusetts Institute of Technology in Cambridge, einer der leitenden Forscher des Projekts. „Unsere Methode, Medikamente zu verabreichen, könnte auch Nebenwirkungen verringern und die Effizienz der Behandlung steigern, da der Blutspiegel des Wirkstoffs weniger stark schwankt“, ergänzt Erstautor Andrew Bellinger. Als spezielle Darreichungsform konstruierten die Forscher eine sternförmige Struktur aus dem Polymer Polycaprolacton, deren sechs Arme in ihrem Innern ein Medikament enthielten. Zusammengeklappt und in einer Gelatinekapsel eingeschlossen, hat das Ganze die Größe und Form einer Pille, die sich problemlos schlucken lässt. Im stark sauren Magensaft wird die äußere Hülle aufgelöst und das sternförmige Gebilde entfaltet sich. Sein Durchmesser von vier Zentimetern ist so gewählt, dass es nicht durch den zwei Zentimeter breiten Magenausgang in den Darm gelangen kann.

In Experimenten mit Schweinen blieb das Objekt etwa zwei Wochen lang im Magen, ohne dabei den Nahrungstransport zu behindern und ohne die Magenschleimhaut zu schädigen. Während dieser Zeit wurde allmählich der Wirkstoff freigesetzt. Schließlich zerbrach die Sternstruktur an Sollbruchstellen in Einzelteile, die nach der Passage durch den Darm ausgeschieden wurden. In diesen Tierversuchen setzten die Forscher Kapseln ein, die mit Ivermectin beladen waren. Dieses Medikament wird zur Behandlung der Flussblindheit und anderer parasitischer Erkrankungen eingesetzt. Es tötet aber auch die Malaria übertragenden Anophelesmücken, wenn es beim Blutsaugen in die Insekten gelangt. Das aus den Kapseln freigesetzte Ivermectin erreichte Konzentrationen im Blut der Schweine, die ausreichen würden, um die Mücken zu töten.

Ein Ziel der Wissenschaftler ist es, einen wichtigen Beitrag zur Bekämpfung der Malaria zu leisten. Dazu könnten an die Bevölkerung von Malariagebieten in großem Maßstab Kapseln verteilt werden, die neben Ivermectin auch das Malariamittel Artemisinin enthalten. Modellrechnungen zufolge würde eine Behandlung von 70 Prozent der Bevölkerung mit dieser Methode die Krankheitsübertragung genauso effektiv verringern, als wenn 90 Prozent nur die üblichen Medikamente erhielten. Die neue Technik würde die Chancen erhöhen, tatsächlich ausreichend viele Menschen so lange behandeln zu können, dass die Infektionsraten sinken. Die Forscher halten es für möglich, die Dauer der Wirkstofffreisetzung aus den Kapseln noch auf mehrere Monate zu verlängern. Außerdem wollen sie das Verfahren auch zur Therapie anderer Tropenkrankheiten, bei HIV-Infektionen und neurologischen Erkrankungen sowie gegen Tuberkulose einsetzen.

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