Indus-Schrift steht für eine Sprache - nicht für eine Bild-Symbolik

Moderne Computerforschung hilft uralter Schrift - die Zeichen eines Volkes, das vor 4000 Jahren im Indus-Tal zwischen Indien und Pakistan gelebt hat, stehen offenbar doch für eine Sprache und nicht für eine Bild-Symbolik
Die über 4000 Jahre alte Indus-Schrift ist bisher nur auf Siegeln und Amuletten gefunden worden. Die Texte sind daher so kurz, dass ihre Entzifferung auch für heutige Wissenschaftler eine echte Knacknuss darstellt.
Die über 4000 Jahre alte Indus-Schrift ist bisher nur auf Siegeln und Amuletten gefunden worden. Die Texte sind daher so kurz, dass ihre Entzifferung auch für heutige Wissenschaftler eine echte Knacknuss darstellt.
© J.M. Kenoyer / Harappa.com
Seattle (USA)/Mumbai (Indien) - Seit ihrer Entdeckung vor 130 Jahren ist die Indus-Schrift ein Rätsel. Niemand hat die seltsamen Zeichen, die vor etwa 4000 Jahren in Siegel geritzt wurden, bisher entschlüsselt. Seit einiger Zeit regt sich nun der Verdacht, es handele sich gar nicht um Schrift, sondern um eine Bild-Symbolik. Dass es sich offenbar doch um Sprache handelt, kann jetzt ein amerikanisch-indisches Forscherteam belegen. Nach einem statistischen Vergleich zwischen sprachlichen und nicht-sprachlichen Zeichenketten zeigte sich, dass die Indus-Zeichen doch eine Schrift darstellen, legen die Forscher im Wissenschaftsmagazin "Science" dar.

"Wir haben eine Technik aus der Computerwissenschaft auf ein altes Problem angewandt", erklärt Rajesh Rao von der University of Washington. "Jetzt können wir sagen, dass die Indus-Schrift statistische Regularitäten aufweist, die es auch in anderen natürlichen Sprachen gibt."

Rao und seine Kollegen stellten einen Vergleich mit nicht-sprachlichen Zeichenketten wie der DNA oder bakteriellen Proteinsequenzen und Zeichenketten aus alten Sprachen an. Dabei zeigte sich, dass die Zeichen der Indus-Schrift eine ähnliche Regelmäßigkeit aufwiesen wie die natürlichen Sprachen. Zu diesen gehörten in dem statistischen Vergleich Sumerisch, Tamil - eine dravidische Sprache aus Indien, deren Familienzugehörigkeit noch nicht geklärt ist - und Sanskrit, das eine der frühesten schriftlich fixierten indoeuropäischen Sprachen ist. Die Indus-Schrift fiel mit ihrer Regelmäßigkeit statistisch in die Mitte der untersuchten natürlichen sprachen. Damit unterschied sie sich gleichzeitig deutlich von jeder nicht-sprachlichen Zeichenkette.

Entdeckt wurde die Indus-Kultur bei Grabungen im Pandschab bereits 1875. Dabei fanden die Archäologen auch Siegel und Amulette mit den rätselhaften Zeichen. Das Hauptproblem bei der Entschlüsselung der Zeichen ist, dass sie sich ausschließlich auf kleinen Gegenständen wie Siegeln und Amuletten befinden. Es gibt also nicht, wie etwa bei den Keilschriften, Tafeln mit längeren Texten. Außerdem hat sich bisher für die Indus-Schrift kein "Stein von Rosette" gefunden, auf dem ein Text der Indus-Schrift in einer bekannten Sprache, wie etwa Sanskrit, übersetzt wäre. Die ägyptischen Hieroglyphen verdanken hingegen ihre Entzifferung dem Fund des Steins von Rosette, auf dem sich neben Hieroglyphen auch ihre griechische Übersetzung befand.

Da nun nahezu erwiesen ist, dass es sich bei den Zeichen der Indus-Kultur um Schrift und nicht etwa um Piktogramme handelt, wollen sich die Forscher erneut an die Entzifferung machen. "Ja, wir wollen den Code knacken", sagt Rao. "Als erstes nehmen wir uns vor, die Syntax der Schrift zu entziffern und ihre grammatischen Regeln zu erschließen. Vielleicht gelingt dann auch eines Tages die Entzifferung, wenn etwa ein Stein von Rosette für die Indus-Kultur ausgegraben wird."

© Wissenschaft aktuell
Quelle: "Entropic Evidence for Linguistic Structure in the Indus Script," by R.P.N. Rao; N. Yadav; M.N. Vahia; N. Yadav; M.N. Vahia; H. Joglekar, R. Adhikari; I. Mahadevan; Science, 24.04.09


 

Home | Über uns | Kontakt | AGB | Impressum | Datenschutzerklärung
© Wissenschaft aktuell & Scientec Internet Applications + Media GmbH, Hamburg