In der Gruppe wächst das Hirn
"Ihre vergrößerten und grundlegend veränderten Hirne könnten den schwärmenden Heuschrecken helfen, unter den harten Konkurrenzbedingungen im Schwarm zu überleben", sagt Swidbert Ott von der University of Cambridge. "Wer schneller seine Nahrung findet, gewinnt, und wer nicht aufpasst, wird selbst zur Nahrung für die anderen." Zusammen mit Stephen Rogers untersuchte Ott die Hirnstruktur von Wüstenheuschrecken (Schistocerca gregaria), einer afrikanischen Art von Wanderheuschrecken. Diese leben normalerweise als Einzelgänger und meiden jeden Kontakt mit Artgenossen. Nur bei Nahrungsknappheit, wenn zahlreiche Tiere an den wenigen Orten mit verbliebenen Nahrungsquellen zusammenkommen, ändert sich ihr Verhalten. Dann bilden Milliarden von Heuschrecken Schwärme, die weite Strecken zurücklegen und große Landflächen kahl fressen.
Die Forscher hielten Wüstenheuschrecken aus einem Schwarm drei Generationen lang ohne Kontakt zu Artgenossen. Die Gehirne dieser Einzelgänger verglichen sie mit denen der schwärmenden Ausgangsform. Die Insekten, die im Schwarm lebten, waren zwar etwas kleiner, hatten aber eine 30 Prozent größere Gehirnmasse. Besonders stark vergrößert waren die Hirnteile, die an Lernprozessen und der Verarbeitung komplexer Informationen beteiligt sind. Dagegen waren die für das Sehen und Riechen zuständigen Regionen kleiner als bei den einzeln aufgewachsenen Heuschrecken. Das Leben im Schwarm und die Suche nach neuen, weit entfernten Nahrungsquellen stellen die Heuschrecken offenbar vor Herausforderungen, die nur mit entsprechenden Hirnveränderungen bewältigt werden können. Das Leben in großen Verbänden könnte auch bei einigen Wirbeltieren zur Evolution größerer Gehirne beigetragen haben.