Immunreaktion lässt Gallensteine wachsen

Fehlgeleiteter Abwehrmechanismus von Immunzellen in der Gallenblase lässt winzige Kristalle verklumpen und größere Ablagerungen entstehen
Neutrophile extrazelluläre Fallen (NETs) im Gallengries (DNA grün gefärbt)
Neutrophile extrazelluläre Fallen (NETs) im Gallengries (DNA grün gefärbt)
© Munoz et al./Immunity
Erlangen - Bestimmte Immunzellen verfügen über einen besonderen Abwehrmechanismus, den sie normalerweise gegen Krankheitserreger einsetzen. Dabei stoßen sie ein klebriges Netz aus DNA und Proteinen aus, um die Mikroben festzusetzen und anschließend zu zerstören. Doch diese Immunreaktion spielt offenbar auch bei der Entstehung von Gallensteinen eine entscheidende Rolle, wie deutsche Forscher im Fachblatt „Immunology“ berichten. Demnach reagieren Immunzellen auf winzige Kristalle in der Gallenflüssigkeit, indem sie ihr Fangnetz ausstoßen. Das verklebt die Kristalle zu größeren Partikeln, die schließlich zu Gallensteinen werden. In Versuchen mit Mäusen ist es gelungen, diese fehlgeleitete Immunreaktion durch ein Medikament zu blockieren und so das Wachstum von Gallensteinen zu hemmen.

„Die Möglichkeit, die DNA-Freisetzung durch einen Hemmstoff zu verhindern, könnte neue therapeutische Strategien eröffnen, wodurch sich chirurgische Eingriffe vermeiden ließen“, sagt Luis Muñoz aus dem Forscherteam von Martin Herrmann vom Universitätsklinikum Erlangen. Es war bekannt, dass sich vor der Entstehung von Gallensteinen die Zusammensetzung der Gallenflüssigkeit verändert. Nach einem starken Anstieg des Cholesteringehalts können sich millimetergroße Cholesterin- und Kalziumkristalle formen, die den sogenannten Gallengries bilden. Wie sich allerdings daraus große Gallensteine entwickeln, blieb bisher ungeklärt.

Den ersten Hinweis auf den unbekannten auslösenden Faktor fanden die Mediziner in Proben von Gallengries verschiedener Patienten: Sie entdeckten darin DNA und Proteine von neutrophilen Granulozyten, weißen Blutkörperchen des angeborenen Immunsystems, auch Neutrophile genannt. Diese Bestandteile ließen sich auch auf der Oberfläche von voll entwickelten Gallensteinen nachweisen. Die Vermutung lag nahe, dass es sich dabei um Spuren von DNA-Fangnetzen, den „neutrophilen extrazellulären Fallen“ (NETs), handelte, deren Freisetzung durch die Kristalle ausgelöst worden war. Das bestätigten die Forscher in Laborexperimenten, indem sie mit Cholesterin- und Kalziumkristallen die Immunzellen zum Auswurf ihrer NETs anregten und so Gallensteine erzeugten.

Mäuse, deren Neutrophile aufgrund eines genetischen Defekts keine NETs mehr bilden konnten, entwickelten nach mehrwöchiger cholesterinreicher Ernährung weniger Gallensteine als ebenso gefütterte normale Mäuse. Einige Tiere, die ernährungsbedingt bereits Gallensteine gebildet hatten, wurden zwei Wochen lang mit Metoprolol behandelt. Dieses bei Bluthochdruck eingesetzte Medikament dämpft die Mobilität und Aktivität der Neutrophilen und damit auch die NETs-Produktion in der Gallenblase. Im Gegensatz zu unbehandelten Kontrolltieren vergrößerten sich die Gallensteine nicht mehr, einige schrumpften sogar. Klinische Studien seien nun nötig, um zu prüfen, ob eine gegen die Aktivität neutrophiler Granulozyten gerichtete Therapie auch beim Menschen wirksam ist, so die Autoren. Eine solche Behandlung könnte dann vorbeugend bei Patienten eingesetzt werden, für die ein hohes Gallensteinrisiko besteht.

Die Gallenblase speichert die in der Leber produzierte Gallenflüssigkeit, die in den Zwölffingerdarm geleitet wird, um die Fettverdauung zu verbessern. Gallensteine verursachen oft keine Beschwerden. Wenn sie jedoch den Abfluss des Verdauungssaftes blockieren, können sie schmerzhafte Koliken auslösen, was oft eine chirurgische Entfernung der Gallenblase erfordert.

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