Hypothese: Depressions-Gene helfen bei der Abwehr von Infektionen

Die krankheitsfördernden Gene erhöhten einst die biologische Fitness der frühen Menschen
Tucson (USA) - Gene, die die Anfälligkeit für Depressionen verstärken, sind trotz ihrer schädlichen Wirkung im menschlichen Erbgut verbreitet. Das erklären amerikanische Forscher jetzt damit, dass diese Gene auch ihr Gutes haben: Sie aktivieren das angeborene Immunsystem und sind deshalb im Lauf der Evolution nicht eliminiert worden. Die Gene könnten die Überlebenschance bei Infektionen in den ersten Lebensjahren verbessert und so die biologische Fitness der frühen Menschen gesteigert haben. Wenn sich diese Hypothese bestätigt, könnten entzündungshemmende Medikamente bei der Behandlung von Depressionen hilfreich sein, schreiben die Wissenschaftler im Fachblatt „Molecular Psychiatry”.

„Die Grundidee ist, dass depressionsfördernde Gene insbesondere die Kleinkinder unserer Vorfahren davor bewahrt haben, an Infektionen zu sterben“, sagt Charles Raison von der University of Arizona in Tucson. Zusammen mit Andrew Miller von der Emory University in Atlanta wertete er Daten von Studien aus, in denen Gene im menschlichen Erbgut identifiziert wurden, die mit einem erhöhten Depressionsrisiko verbunden waren. Die meisten dieser Gen-Varianten beeinflussten auch die Funktion des Immunsystems. Im Einklang damit stehen Beobachtungen, wonach Depressive verstärkt unter Entzündungsreaktionen leiden und anhaltender Stress Depressionen begünstigt. Auch typische Symptome der Erkrankten wie Inaktivität, soziale Absonderung und Appetitlosigkeit könnten einmal biologisch sinnvoll gewesen sein, da dieses Verhalten verhindert, dass sich eine Infektion ausbreitet, so die Forscher.

Eine weitere Parallele bestehe darin, dass sowohl depressive Störungen als auch eine aktivierte Immunabwehr den Schlaf stören: Für unsere Vorfahren könnte es von Vorteil gewesen sein, bei einer Verletzung oder Infektion wachsam zu bleiben. Für den modernen Menschen allerdings wirken sich die Depressions-Gene nicht mehr positiv aus, da heute das Infektionsrisiko geringer ist und Antibiotika zur Verfügung stehen. Daher wäre es sinnvoll, ihre Wirkung zu blockieren. In bereits laufenden Studien wollen die Wissenschaftler nun prüfen, ob Medikamente, die normalerweise zur Behandlung von Autoimmunerkrankungen eingesetzt werden, auch bei bestimmten Formen von Depressionen wirksam sind.

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Quelle: „The evolutionary significance of depression in Pathogen Host Defense (PATHOS-D)”, Charles L. Raison and Andrew H. Miller; Molecular Psychiatry, DOI: 10.1038/mp.2012.2


 

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