Hirngröße spiegelt den Wagemut - bei Fischen
"Wir stellten fest, dass jene Fische, die im offenen Wasser auf der Suche nach Futter herumschwammen, größere Telencephalone hatten als jene Fische, die in Ufernähe blieben und darauf warteten, dass das Futter in der Wassersäule vorbei schwamm", erklärt Robert McLaughlin, Professor für integrative Biologie an der University of Guelph. "Also gibt es eine Korrelation zwischen Jagdverhalten und Hirnmorphologie". McLaughlins Team hatte in früheren Untersuchungen zwei Persönlichkeitstypen beim auf der gesamten Nordhalbkugel heimischen Bachsaibling (Salvelinus fontinalis) festgestellt: Die einen waren aktive Jäger und schienen auch Risiken einzugehen, die anderen verhielten sich sesshafter und schüchterner. Da sich dieser Unterschied schon bei weniger als einen Monat alten Jungfischen zeigte, wollten die Forscher herausfinden, ob er auf biologischen Unterschieden beruhte.
So fischten sie wilde Bachsaiblinge aus einem nahen Fluss, sowohl die scheuen als auch die mutigen, und vermaßen die Größe derer Telencephalone. Zum Abgleich maßen sie auch die Größe des so genannten Riechkolbens im Hirn (Bulbus olfactorius), eine Struktur, die an der Geruchsverarbeitung beteiligt ist - so konnten sie ausschließen, dass nicht einfach das ganze Gehirn, sondern nur das Telencephalon der Fische größer oder kleiner war. Da Bachsaiblinge ihr Futter nach Sicht und nicht nach Geruch finden, ist der Riechkolben, der nahe am Endhirn sitzt, am Jagdverhalten nicht beteiligt. Tatsächlich zeigte sich, dass die Größe des Riechkolbens bei allen Testfischen eine vergleichbare Größe hatte. Die Endhirne hingegen zeigten deutliche Größenunterschiede bei den beiden Verhaltenstypen.
Dabei bleibt aber unklar, ob die Hirngröße das Verhalten vorgibt oder das Verhalten die Hirngröße beeinflusst so McLaughlin: "Es könnte sein, dass etwas in der Umgebung oder den Genen des Fisches einige aktiver macht als andere, und dieses Aktivitätslevel verändert das Gehirn. Es gibt Hinweise, dass das Fischhirn plastisch ist und die Struktur verändern kann, je nachdem, wo sich Neuronen schneller entwickeln". So oder so helfe das Ergebnis aber, das unterschiedliche Jagdverhalten wilder Tiere auch auf Hirn-Mechanismen zurückzuführen: "Es ist ein riesiger Schritt in Richtung Verstehen, warum innerhalb einer Art verschiedene Persönlichkeitstypen existieren und wie sich in einer Population Vielfalt entwickelt".
DOI: 10.1007/s00265-010-1002-4